Die Urkunde
(Landeshauptarch
iv Koblenz Best. 1A Nr. 1)

Das Testament
des Diakons Adalgisel Grimo von 634


Dittmar Lauer
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Vortrag anl. des Kirchenmusikalischen Konzertes in der kah. Pfarrkirche St. Bartholomäus in Kell am See am
30. Dezember 2009

Es ist wohl das erste Mal im Trierer Land, dass sich gleich vier Ortsgemeinden ihrer gemeinsamen Geschichte erinnern, dass sie in mehreren gemeinsam durchgeführten Veranstaltungen der urkundlichen Ersterwähnung ihres Ortsnamens im Testament des Diakons Adalgisel Grimo vor 1375 Jahren gedenken.

Dass wir dieses gemeinsame Gedenken in einem Gotteshaus – im Rahmen eines kirchenmusikalischen Konzertes – begehen dürfen, dafür bedanken wir uns ganz herzlich bei Ihnen, sehr verehrter Herr Pastor Thomas Linnartz.

Danken darf ich den Kirchenchören Kell am See und Reinsfeld unter Leitung von Elmar Neufing und dem Posaunenquartett Braunshausen unter der Leitung von Stefan Kollmann für ihre musikalischen und instrumentalen Darbietungen.

Begrüßen darf ich den Herrn Kreisbeigeordneten Manfred Wischnewski in Vertretung des Herrn Landrats, die Herren Bürgermeister bzw. Beigeordneten der Verbandsgemeinden Kell am See, Ruwer, Saarburg und Konz sowie die Herren Ortsbürgermeister von Kell am See, Schöndorf, Taben-Rodt und Temmels, die Mitglieder der Ortsgemeinderäte sowie die Vorsitzenden und Mitglieder der Verwaltungsräte und Pfarrgemeinderäte.

Das Testament des adligen Diakons Adalgisel Grimo – ausgestellt am 30. Dezember 634 in Verdun – gilt als die älteste erhaltene Urkunde des Rheinlandes, die in einer Abschrift des 10. Jahrhunderts, an deren Echtheit keinerlei Zweifel bestehen, im Landeshauptarchiv in Koblenz aufbewahrt wird.

Adalgisel Grimo entstammt einer reichbegüterten und einflussreichen austrasischen Familie. Als Austrasien wird der östliche Teil des Frankenreiches zur Zeit der Merowinger bezeichnet, war meist ein selbstständiges Königreich mit der Hauptstadt Metz und umfasste die Region zwischen Rhein, Maas und Mosel mit den wichtigsten Städten Metz, Reims, Köln und Trier.

Das Grimo-Testament enthält unschätzbare Nachrichten zur Siedlungs-, Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und besitzt einen hohen Aussagewert für die Entwicklung des religiösen Lebens, des Pfarrsystems einschließlich des Eigenkirchenwesens, der Missionsgeschichte und der Bildung neuer religiöser Gemeinschaften. Das macht den Inhalt der Testamentesurkunde so außerordentlich ergiebig für die Forschung.

Die Besitzungen des Diakons Adalgisel Grimo liegen weit verstreut zwischen Maastricht und Verdun, an Saar und Mosel und im Hochwald. Er besitzt Gold und Silber, Häuser und Gehöfte, dazu ganze Dörfer und Weiler mit den dort lebenden und arbeitenden unfreien Hörigen, auch mehrere Mühlen einschließlich der sie betreibenden Müller sowie etliche Weinberge.

Umfangreich sind seine Ländereien, Felder, Wiesen, Weiden und Wälder, Gewässer und Wasserläufe, er nennt zahlreiche Kuhherden mit Kuhhirten, Schafsherden mit Schafshirten und Schweineherden mit Schweinehirten sein Eigen.

Es spricht für die tief religiöse Einstellung des Diakons Adalgisel Grimo, dass er diesen seinen Besitz vorwiegend Kirchen und kirchlichen mildtätigen Einrichtungen – etwa Armenhäuser und Krankenstationen zur Pflege von Leprakranken – und den von ihm begründeten religiösen Gemeinschaften in Tholey und Longuyon geschenkt bzw. vermacht hat.

Aus dem genauen Wortlauf der Testamentsurkunde geht eindeutig hervor, dass Adalgisel Grimo schon vor Abfassung seines letzten Willens Besitz an die von ihm begründeten heiligen Stätten übertragen hat. Bezogen auf seinen ausgedehnten und mehr oder weniger zusammenhängenden Besitzkomplex im Hochwaldraum in und um Kastel, Hermeskeil, Kell-Niederkell sowie Schöndorf darf man annehmen, dass der bis Ende des Alten Reiches nachweisbare Besitz der Abtei St. Mauritius Tholey in Kastel, Hermeskeil und Kell-Niederkell auf eine solche frühere Schenkung zurückgeht. Was er dann noch in Kell und im benachbarten Schöndorf besaß, vermachte er in seinem Testament der Kirche St. Peter in Temmels.

Die Kirche St. Peter in Temmels scheint von Adalgisel Grimo selbst als Eigenkirche begründet worden zu sein. Darauf deutet hin, dass er sie nicht nur mit seinen Besitzanteilen in Kell und Schöndorf begabt, sondern auch mit einem Drittel dessen, was ihm an dem Ort Temmels gehört, darunter eine Mühle, eine Schafherde mit dem Schafhirten und dem, was er der Kirche schon in früherer Zeit geschenkt hatte. Zwei Drittel von Temmels vermachte er dem von ihm begründeten Kloster St. Agatha in Longuyon, das Adalgisel Grimo übrigens als Haupterbe eingesetzt hat.

Dort hat der Diakon eine Armenstiftung eingerichtet und er ermahnt eindringlich den Abt von Longuyon, bei der Versorgung der Armen mit Nahrung und Kleidung, aber auch mit persönlicher Zuneigung nicht zu sparen. Die hier und auch in seinen übrigen Stiftungen zum Ausdruck kommende tiefempfundene Religiosität zeugt von der Ernsthaftigkeit, mit der Adalgisel Grimo die Aufgaben eines Diakons als Dienst im Auftrag Gottes bei der Förderung der Predigt, der Mission, aber vor allem auch der Armenfürsorge wirklich verinnerlicht hat.

Auch seinen Besitzanteil in Taben auf dem linken Saarufer vermacht Adalgisel Grimo einer karitativen Einrichtung, einer dem Kloster St. Vanne in Verdun angeschlossenen Krankenstation, einem sogenannten Leprosenhaus, wo die von der Umwelt verstoßenen Lepra- und Pestkranken aufgenommen und gepflegt werden.

Diese kurzen Angaben – im Wesentlichen die vier im heutigen Kreis Trier-Saarburg liegenden Ortschaften Kell am See, Schöndorf, Taben-Rodt und Temmels betreffend – lassen die Bedeutung der Grimonischen Testamentsurkunde für die regionale Geschichtsaufarbeitung erahnen. Nicht umsonst haben sich in den letzten Jahren mehrere Fachhistoriker mit der Urkunde beschäftigt und sie auf ihre Ergiebigkeit für das gesellschaftliche, wirtschaftliche und religiöse Leben abgeklopft und die Ergebnisse publiziert.