Die Burgkapelle

Ein Aufsatz zur Geschichte der Grimburg

Dittmar Lauer

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Im Zuge der Freistellungs- und Sicherungsarbeiten auf der ehemaligen kurfürstlichen Landesburg Grimburg wurden auch die Fundamente einer Burgkapelle freigelegt. Zwar wußte man durch das Protokoll der sogenannten Tridentinischen Visitation im Jahre 1569 von der Existenz einer Kapelle, doch konnten nur Vermutungen über die genaue Lage angestellt werden, die sich vor allem auf die dörfliche Überlieferung stützten.

Nach der teilweisen Zerstörung der Grimburg durch die Franzosen im Zuge ihrer Réunionskriege im Jahre 1683 war der Sitz des kurfürstlichen Amtes Grimburg auf den Hof Lascheid bei Hermeskeil verlegt worden. Neben dem Verwalterwohnhaus zu Lascheid erbaute man im Jahre 1688 eine neue Kapelle. Mit der Aufgabe der Grimburg als Verwaltungssitz verfielen nach und nach die Burggebäude, und auch die Burgkapelle ist 1730 zerfallen und der nahegelegene Garten von denen zusammengefallenen Schloßmauern undt sich auff ermeltem Schloß befindenden Ungezieffer unbrauchbar. So wundert es nicht, daß die Kenntnis über Burg und Burgkapelle im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet.

Eine Kapelle oder wenigstens ein Raum, in dem der Gottesdienst abgehalten werden konnte, gehörte zur Grundausstattung jeder Burg. Und auch ein Geistlicher, nicht nur für das kirchliche Leben auf der Burg verantwortlich, sondern meist der einzige des Lesens und Schreibens kundige Burgbewohner, durfte nicht fehlen. So wird auch auf der Grimburg ein Burgkaplan wohl schon Ende des 12. Jahrhunderts zur Burgmannschaft gehört haben, als Erzbischof Johann I. (1189-1212) die während des kriegerischen Streites um die Besetzung des Trierer Bischofsstuhles zerstörte Grimburg neu aufbauen ließ. In der Aufstellung des erzbischöflichen Besitzstandes um 1215 wird zwar ein Kaplan noch nicht ausdrücklich erwähnt, aber in einer Urkunde des Jahres 1258 lesen wir von der Präsenz eines Burgkaplans auf der Grimburg, der neben den Burgmannen (custodes), (famulis turris), Wächtern (vigilibus) und dem Pförtner (portario) zur Grimburger Burgmannschaft gehört und vom St. Pauliner Propst und dem Trierer Domküster eine Teilbesoldung bezieht. Ein Priester oder wohl treffender ein Burgkaplan wird auch im Jahr 1286 erwähnt.

Erst die Visitation von 1569 bestätigt dann ausdrücklich das Vorhandensein einer Burgkapelle, als deren Schutzheilige St. Sebastianus und St. Barbara genannt werden. Über Lage, Größe und Ausstattung dieser Kapelle schweigt sich das Visitationsprotokoll leider aus. Aus gutem Grunde aber dürfen wir in der Kapelle von 1569 den Vorgängerbau der Burgkapelle vermuten, die dann in den Jahren 1584/85 von Johann VII. von Schönenberg, Erzbischof und Kurfürst (1581-1599), neu erbaut und ausgestattet wurde. Diese neue bzw. erneuerte und erweiterte Kapelle erhielt als weiteren Patron St. Pankratius, der auch noch 1618 als dritter Schutzheiliger neben St. Sebastianus und St. Barbara aufgeführt wird.

Johann von Schönenberg wird von seinen Zeitgenossen als ein kränkelnder Mann von zierlichem Körperbau und ziemlich schwächlicher Körperkraft, aber von hohem Verstand, Weisheit und Klugheit beschrieben. Jahrelange ungüstige Klima- und Witterungsbedingungen, damit verbundene Notzeiten durch katastrophale Mißernten und zu allem Überfluß auch noch Kriege, Plünderungen und Diebstähle organisierter Straßenräuber prägten das Trierer Land Ende des 16. Jahrhunderts und bildeten den Nährboden für das Aufblühen einer dramatischen Hexenverfolgung, von der auch der Hochwald erfaßt wurde.

Von Johann von Schönenberg wird berichtet, er habe sich gern und oft auf seine Landesburgen in Montabaur, Wittlich, St. Wendel und Grimburg zurückgezogen, um dort, fern vom kurfürstlichen Hof, seiner tiefempfundenen Frömmigkeit zu leben.

Die bevorzugten Aufenthalte auf der Grimburg, in der Ruhe und Abgeschiedenheit des Hochwaldes, dürften die Erneuerung der Burgkapelle beschleunigt haben, zumal sie in Teilen baufällig war. Über den Zeitpunkt des Kapellenbaues sind wir durch die Zeugenaussage des Keller Hochgerichtsschultheißen Januß aus dem Jahre 1585 unterrichtet. Der 63jährige Schultheiß, dessen Vater Frantzen Hannß aus Hermeskeil stammte, sagte aus, der Kurfürst habe ihm zugeredt im schloß Grimburg von wegen der kirchen, so darinne gebawet worden, seye ungefehrlich in dem verschienen Maio deß nechsten hievorigen 85. jhars beschehen. Demnach müßte die Kapelle also bereits im Mai 1584 fertiggestellt gewesen sein.

Sehr viele Kirchen stattete er mit heiligem Gerät aus oder dotierte sie mit Schenkungen, so daß es nur wenige gibt, in denen nicht die Beweise seiner Freigebigkeit und Frömmigkeit vorhanden sind, wird über Johann von Schönenberg in der trierischen Geschichtsschreibung berichtet. So möchte man annehmen, daß er auch die von ihm erneuerte Kapelle auf der Grimburg, wo er so oft und gerne weilte, großzügig ausstattete. Darüber gibt nun ein Inventar der kurfürstlichen Hofkapellen des Erzstifts aus dem Jahre 1592 Auskunft. Diese Auflistung und Beschreibung der Ausstattungsgegenstände in den Kapellen des Trierer Palastes, der kurfürstlichen Schlösser und Burgen zu Wittlich, Daun, Manderscheid, Bernkastel, St. Wendel und eben auch Grimburg nahm ein gewisser Jacob Heck auf Befehl von Erzbischof Johann von Schönenberg vor. Den Aufzeichnungen über die ornamenta der Grimburger Kapelle liegen die Angaben des Grimburger Burggrafen Paul Monrich zugrunde.

Danach war die Kapelle mit zwei Altären und reichlichem liturgischem Gerät ausgestattet. Aufgeführt werden vier hohe zinnerne Altar- und zwei Messingleuchten, ein silberner übergoldeter Kelch mit Corporale und eine übergoldete Monstranz im Allerheiligsten, ein Weihwasserkessel aus Messing und ein Portabile, Altartücher, rot und gelb gewirkte leinene Altardecken und zwei Antependien aus schwarzem Taft.

Für den Geistlichen findet sich ein schweres schamlotten Meßgewand mit Zubehör, ebenso ein altt und noch ein gar gutt trierisches Meßbuch und drei alte untaugliche Chorbücher.

Die Ausstattung an Bildern und Statuen faßt der Schreiber in einem eigenen Abschnitt zusammen:

Ahn bildern st. Hieronimus in einer taffelln gar schön.

Item ahn dem creutzbalcken die 12 apostolen mitt dem salvatore verfast auff rhömscher seiden.

Item noch die zwolff apostoln mitt dem Salvator auff duch gemhaltt und eingefast.

Item ein rein geschnitzlet crucifix uffm hohen althar.

Item ettlich alte mitt farben verneuwerte statuae und crucifix.

Item ein new karfreitaghs crucifix auff dem creutzbalcklin.

Item auff dem hohen althar ein viereckte schöne verglaste taffell mitt viellen in seiden undt goldtfaden verfasten hailthumb, chorall zacken, schellen, 2 in silber agnus dei, eins halben dallers groß.

Item Salvator undt Maria in mans lenghdt.

Im dem Gemach des Kurfürsten werden in Kisten und Schränken weitere Meßgewänder und Gegenstände aufbewahrt: Ein gelbes und ein braunes Meßgewand, dazu eines von rotem Damast und eines von Seidenatlas, noch ein schwarzes gebrest Gewand aus schwerem Samt und drei alte zerschlissene Chorröcke. Sechs vela befinden sich im Schrank und vier pallae, zahlreiche verschiedene Altar- und Steintücher, ein silberner, mit Gold überzogener Kelch und zwei kleine übergoldete Monstranzen.

Leider ist die Inventarliste von 1592 so ziemlich die einzige bisher bekannt gewordene genaue und ausführliche Beschreibung, die Aufschluß über Anzahl, Art und Qualität von Ausstattung und Einrichtung sowohl der Kapelle als auch der Burg überhaupt und seiner einzelnen Bauteile gibt. Die Quellenlage für die Grimburg ist in dieser Hinsicht sehr schmal und dürftig, im Gegensatz zu der benachbarten Burg Dagstuhl, wo sich die einzelnen Phasen des Burgenbaus, aber auch die Lebensweise und das soziale Miteinander der Burgbewohner aus den umfangreichen Rechnungsbelegen nahezu lückenlos rekonstruieren lassen.

Dennoch erweist sich das Inventarverzeichnis als äußerst hilfreich, denn der Grabungsbefund der Burgkapelle alleine läßt noch keine Rückschlüsse auf das architektonische Gesamtbild des Bauwerks zu. Unterzieht man den Grundriß einer genaueren Betrachtung, so glaubt man zwei verschiedene Bauphasen zu erkennen, da Chor und Turm nicht in einer Achse liegen, sondern deutlich versetzt zueinander stehen. So könnte der Chorteil von der im Visitationsprotokoll von 1569 erwähnten älteren und kleineren Kapelle herstammen und in die neue und größere Kapelle von 1584/85 mit einbezogen worden sein. Der Chor der Kapelle ist nicht nach altchristlicher Sitte und späteren ausdrücklichen Vorschriften nach Osten gerichtet, aber das findet man wohl oft bei Burgen.

Während die neue Kapelle einen Glockenturm aufweist, dürfte die ältere Kapelle mit einem einfachen Dachreiter ausgestattet gewesen sein. Der neben dem Turm angeordnete beheizbare kleine Raum wird als Sakristei gedient haben, und bei dem Raum neben der Steintreppe muß es sich um das in dem Inventar von 1592 erwähnte kurfürstliche Gemach handeln, in dem der Erzbischof und Kurfürst seine persönlichen liturgischen Gewänder und wertvolleren Gerätschaften aufbewahrte.

Die Kapelle steht außerhalb des abschließbaren eigentlichen Burgberings auf dem Niveau des mächtigen Burggrabens, der ursprünglich in das tiefergelegene Gelände der Vorburg einmündete. Dieser Kapellenstandort scheint zu einer Zeit abnehmender Verteidigungsnotwendigkeit gewählt worden zu sein, und als man die Zugbrücke zwischen den beiden mächtigen Bastionen nicht mehr benutzte. Durch den Burggraben selbst dürfte eine langgezogene Furt geführt haben, so daß die Kapelle möglichst frei zu stehen kam.

Nicht ausschließen sollte man die Möglichkeit einer Doppelkirche. Das würde die Lage in der Verlängerung des ehemaligen Burggrabens erklären. Denn während der untere Kapellenraum auf dem Niveau des Kirchhofes und der anschließenden Gärten und Felder liegt, wäre die obere Kapelle vom Burgterrain aus zu erreichen gewesen. Allerdings läßt sich diese Annahme ohne weitere Grabungen und vor allem ohne neue archivalische Quellen nicht stützen.

Die Notwendigkeit eines neuen größeren Kapellenbaues durch Johann von Schönenberg gründet einmal in der Baufälligkeit der älteren Kapellenanlage und zum anderen darin, daß der Erzbischof und Kurfürst ja oft auf der Grimburg weilte und seine Kapelle entsprechend erneuern und besser ausstatten wollte.

Aber auch die steigende Zahl der in der Vorburg ansässigen Menschen dürfte zu der Baumaßnahme motiviert haben. Im Laufe der Zeit hatte sich innerhalb der Vorburg bei verdichteter Bauweise ein beachtliches Gemeinwesen entwickelt, wie zahlreiche Hinweise in den verschiedensten Schriftquellen, aber auch vereinzelte Bodenfunde belegen. Neben der eigentlichen Burgbesatzung mit Burggraf, Amtskellner, Chirurg, Kaplan, Jäger, Turmwächter, Boten, Pförtner, Knechte und Mägde sowie Dienerschaft usw. wohnten im Burgbering nicht nur die Burgmannen, sondern es lebten und arbeiteten in der Vorburg auch zahlreiche Handwerker: Es wurde geschmiedet, gegerbt, gemahlen. Für das Jahr 1580 läßt sich ein Zimmermann nachweisen, der nicht nur auf der Grimburg sein Handwerk ausübte, sondern auch auf die nahe Burg Dagstuhl gerufen wurde. 1572 wohnt und lehrt Schulmeister Balthasar Schwind auf der Grimburg und für 1531 wird eine Wirtin auf der Burg genannt. Diese wenigen Zeugnisse deuten auf eine buntgemischte Sozialstruktur innerhalb von Burg und Vorburg. Sie sollten zu weiteren Untersuchungen über das Leben und Arbeiten in und auf der Grimburg, in Burg und Vorburg, anregen.

Die Kapelle zu Grimburg war ebenso wie die Kapellen von Sitzerath und Grenderich der Pfarrkirche zu Wadrill als Mutterkirche zugeordnet. Weder im untergegangenen Grenderich noch in Grimburg kam es aus naheliegenden Gründen zu einer eigenständigen Pfarrei.

Die zum Unterhalt der Kapelle notwendigen Kirchengüter werden im Salbuch von 1589 beschrieben. Danach besitzt die Kapelle ein Feld auff dem bergh zu Grimburg bey Labroch, eine Wiese oben in Kiedloff, einen Garten an der Kapelle gelegen. Außerdem gehört der zehende auff dem bergh der Kapelle. Alle diese Güter sind Lehen an den jeweiligen Burggrafen. Weitere Kirchengüter liegen zu Bierfeld und Pölert, sind aber im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Aber auch über die Verwendung der Grimburger Kapellengüter entstanden Zweifel, denn 1730 erkundigten sich der Wadriller Hochgerichtszender Caspar Höwer, gleichzeitig auch Pfarrzender in der Pfarrei Wadrill und Send- und Gerichtsscheffe, und Johann Jacobi, Pastor in Wadrill und Grenderich, beim Grimburger Amtskellner Franz Burg über das jährliche Einkommen an Gefällen und Renten, denn niemand weiß mehr, wem diese Einkünfte verrechnet werden, da keiner von langen Jahren her die geringste Utilität darab genoßen.

Nicht nur die Kenntnis über die Nutzungsrechte der Einkünfte der Grimbuger Kapellengüter ging so im Laufe der Zeit verloren, sondern es verfielen nach und nach die Gebäude zu einem einzigen amorphen Schutthaufen, und über die gesamte Anlage der ehemaligen kurfürstlichen Landesburg legte sich über nahezu 300 Jahre ein dunkler Schleier des Vergessens. Zwar gab es auch schon in früheren Jahren Restaurierungsansätze, doch erst seit den Freilegungs- und Sicherungsarbeiten und dem teilweisen Wiederaufbau seit Ende der 80er Jahre ist die Burganlage wieder in ihrer ganzen Ausdehnung zu fassen.