Wilhelm Greff |
Dechant Wilhelm Greff Seelsorger und Politiker zwischen Kaiserreich und
Hitlerdiktatur
Wilhelm Greff wurde am 14. Mai 1872 in Auersmacher geboren,
einem kleinen Dörfchen in der Nähe zu Frankreich. Seine Vorfahren waren meist
Zimmerleute von Beruf. Nachkommen betrieben noch bis in die dreißiger Jahre des
vorigen Jahrhunderts eine selbstständige Zimmerei in der Auersmacher
Nachbargemeinde Sarreguemines. Wilhelm Greffs Vater Peter war in dritter Ehe
mit Margaretha Karst verheiratet. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, je
drei Mädchen und Jungen. Margaretha Karst, 1845 in Wallhausen im Kreis Bad
Kreuznach geboren, war in jungen Jahren als Haushälterin ihres achtzehn Jahre
älteren Bruders Wilhelm Karst mit nach Auersmacher gekommen, als dieser als
Pfarrer im Jahre 1859 dorthin versetzt wurde. Wilhelm Greffs Namensgeber und
Taufpate war sein Onkel, der Pfarrer Wilhelm Karst. Der Junge erschien dem
geistlichen Onkel schon in jungen Jahren so aufgeweckt, dass er ihn unter seine
Fittiche nahm und ihn auf ein Gymnasialstudium vorbereitete in der Hoffnung,
dass er ebenfalls Priester werden möge. Wilhelm Greff wurde am 10. August 1895 im Alter von
dreiundzwanzig Jahren in der Hohen Domkirche in Trier von Bischof Felix Michael
Korum zum Priester geweiht. Drei Jahre in Münstermaifeld als Kaplan tätig, kam
er 1899 als Vikar nach Fischbach-Camphausen, das kurz zuvor zur
Kapellengemeinde mit dem Recht auf einen eigenen Seelsorger erhoben worden war.
Vikar Wilhelm Greff, dem man eine Wohnung in einem „recht ansehnlichen und fast
neuen Haus“ zur Verfügung gestellt hatte, widmete sich tatkräftig dem Neubau
einer Kirche. Er bemühte sich um den Ankauf eines geeigneten Baugeländes. Durch
Schenkungen und Tauschverträge bekam er nach und nach rund 1.200 qm Bauland
zusammen. Für die Kirche und ein dazugehöriges Pfarrhaus reichte der Platz bei
weitem nicht aus, dennoch begann der neue geistliche Herr zunächst mit dem Bau
eines Pfarrhauses, in dem nicht nur Platz genug für den Pfarrer, sondern auch
noch für einen Kaplan sein sollte. Die Kaplanswohnung soll die kirchliche
Behörde verlangt haben, belehrte Greff die Kirchengemeinde, die es lieber
gesehen hätte, wenn zunächst einmal die Kirche gebaut worden wäre, zumal der
Vikar ja in einer standesgemäßen Wohnung untergebracht war. Mit dem Grundstückszukauf
kam Greff nicht voran. In dieser verfahrenen Situation, wo man zwar ein neues
Pfarrhaus für den Pfarrvikar mit Kaplanswohnung besaß, aber keinen
ausreichenden Platz mehr hatte für die geplante Kirche, wurde Wilhelm Greff im
Jahre 1905 abberufen und mit der Diasporapfarrei Kirchenbollenbach bei
Idar-Oberstein betraut. „So wurde die Kirchengemeinde mit diesem dreizehn
Zimmer großen Bau und 12.000 Mark Schulden belastet“. Greffs Nachfolger
übernahm kein beneidenswertes Erbe in der Kapellengemeinde
Fischbach-Camphausen. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit als Definitor im Dekanat
St. Wendel kam der inzwischen vierzig Jahre alte Wilhelm Greff im Jahre 1912
als Pfarrer nach Hermeskeil. In seiner neuen Wirkungsstätte, die er
zweiunddreißig Jahre bis zu seinem Tode im Jahre 1944 innehaben sollte, wurde
Pfarrer Wilhelm Greff an einem Donnerstag im Juli des Jahres 1912 empfangen.
„Der ganze Ort trug Flaggenschmuck. Ehrentore waren errichtet und die Häuser
mit Blumen und Girlanden geschmückt. Mehrere Ehrenreiter gaben dem neuen Seelsorger
von Reinsfeld aus das Geleit zunächst bis nach Höfchen, wo die erste Begrüßung
durch die dortige Schuljugend stattfand. Weißgekleidete Mädchen überreichten
mit sinnigen Gedichten Blumensträuße“. Gegen zehn Uhr traf die Prozession in
der Bahnhofstraße ein. Dort wurde er von dreißig geistlichen Herren von nah und
fern empfangen. Deputationen mit Fahnen des Katholischen Arbeitervereins und
des Katholischen Jünglingsvereins von Kirchenbollenbach waren ebenfalls
vertreten. Eine Schülerin überreichte einen frischen Blumenstrauß und begrüßte
ihn mit einem schönen, gut vorgetragenen Gedicht. „Alsdann bewegte sich die
Prozession nach der Kirche, wo die Einführung vor sich ging. Darauf bestieg der
Herr Definitor von Osburg die Kanzel und ermahnte die Pfarrkinder in einer
herzlichen Ansprache zur treuen Pflichterfüllung ihrem Seelsorger gegenüber“.
Der neue Pastor brachte in seiner Begrüßungspredigt seinen Pfarrkindern „in
innigen Worten“ sein Verständnis über das Verhältnis zwischen Hirt und Herde
bei. Einen Empfang ganz besonderer Art hatte sich der Redakteur
und Herausgeber der Hochwald-Zeitung Josef Lohmer-Philippi einfallen lassen. In
einer Extraausgabe brachte er einen in klassischem Latein verfassten größeren Artikel
mit der Überschrift Salve Caesar! Wer der Verfasser dieses Artikels gewesen
ist, muss offen bleiben. Es dürfte aber in jedem Falle einer der Kapitulare im
Dekanat Hermeskeil gewesen sein. Unterzeichnet ist der „in überdurchschnittlich
fließendem Latein“ verfasste Artikel mit Megabates. Der originelle Begrüßungsaufsatz stellt dem
Neuankömmling in launiger und manchmal auch boshafter Weise die künftigen
Mitbrüder im Dekanat Hermeskeil vor, die meisten mit ihren Spitznamen genannt
unter Bloßstellung ihrer geistigen und körperlichen Schwächen, andererseits
gespickt mit feinsinniger Beobachtung des täglichen Pfarrerdaseins. So liefert
der Artikel „einen kleinen Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des katholischen
Landklerus im Bistum Trier aus den noch ‚ungestörten‘ Jahren vor dem Ersten
Weltkrieg“. In seiner neuen Pfarrei in Hermeskeil machte sich Pfarrer
Wilhelm Greff sogleich an die bauliche Verbesserung und Ausschmückung der
Pfarrkirche, die er überaus „kalt und armselig“ vorfand. Die ausgetretenen
Sandsteinplatten des Kirchenganges wurden durch Fliesen der Vereinigten
Servais-Werke AG in Ehrang ersetzt und im Laufe der Jahre wurden nach und nach
neue Kirchenfenster angeschafft. Die alten Kirchenfenster von 1870 hielt
Pfarrer Greff „für unseren Hochwalddom ungeziemend“. Gleichzeitig sammelte er
für neue Kreuzwegstationen an Stelle „der armseligen papierenen vielfach
zerrissenen Bilder“. Die zu schmale und enge Empore wurde vergrößert und eine
elektrische Beleuchtung nach einer Spende eines unbekannten Wohltäters
installiert. „Als die Pfarrkinder so allmählich merkten, dass ich ihre Kirche
gänzlich umzugestalten strebte, wuchs ihre Freigebigkeit in lobenswerter Weise“
gab sich Pfarrer Greff zuversichtlich für weitere von ihm geplanten
Verbesserungen und Ausschmückungen. Eine holzgeschnitzte Pieta stiftete „eine
ungenannte Wohltäterin von hier“ und Hauptlehrer Ludwig Bach schenkte zum Dank
für die Rettung seines Sohnes Willy, der sich Anfang des Ersten Weltkrieges
eine schwere Verletzung zugezogen hatte, eine wetterfeste Ölberggruppe, die später
auf dem Erzberg Aufstellung fand. Pfarrer Greff selbst verehrte der Pfarrei
zwei Partikel vom hl. Kreuz, die ihm der Bischof von Assisi anlässlich einer
Romreise anvertraut haben soll und die
in kostbaren Reliquiaren aufbewahrt
werden. Im Hohlraum eines Reliquiars wird die Authentizitätsurkunde aufbewahrt.
Das Bischöfliche Generalvikariat erteilte die Erlaubnis zur öffentlichen
Verehrung. „Nicht minder unerfreulich wie der äußere Eindruck des
inneren Gotteshauses war auch der Eindruck des inneren religiös-sittlichen
Lebens“, fand Pfarrer Wilhelm Greff. Sogleich nach seinem Amtsantritt begann er
die bereits von Pfarrer Peter Anheier gegründete Marianische
Jungfrauenkongregation neu zu beleben. An Christi Himmelfahrt 1912 wurden
nahezu 200 Jungfrauen aufgenommen. Die Festpredigt hielt der Pallottinerpater
Josef Kentenich. Einen würdigen Abschluss fand die Feier „durch die sich
anschließende Prozession, bei welcher die Kongregationsmitglieder im Schmucke
ihrer Bändchen und Medaillen und mit ihrer Fahne die Statue der Mutter Gottes
von Lourdes und der kleinen Bernadette hinunter in das Mühltal bei der
Blasiusmühle trugen“. In kurzer Folge gründete Pfarrer Greff den Christlichen
Mütterverein, einen Katholischen Jünglingsverein und acht Tage später einen
Katholischen Männerverein. Mit der Gründung des Männervereins versuchte Pfarrer
Greff die damals heftig tobenden Kämpfe unter den Arbeitern zu verhüten und
alle Stände zu einen. Ein von Pfarrer Greff ins Leben gerufener
Paramentenverein, dessen Mitglieder sich regelmäßig im Pfarrhaus unter
fachkundiger Anleitung von Lehrerinnen zu Ausbesserungsarbeiten trafen. Zur
Förderung der Missionstätigkeit wurde eine Ortsgruppe der Katholischen
Missionsvereinigung ins Leben gerufen. Die Tätigkeit dieser von Pfarrer Greff
ins Leben gerufenen Vereine litten jedoch bald unter den sich zuspitzenden
Ereignissen des Ersten Weltkrieges. Im Frühjahr 1917 traf die mit der
bischöflichen Behörde abgestimmte Aufforderung zur Ablieferung der bronzenen
Kirchenglocken ein. Die bereits angeordnete Abgabe der Orgelpfeifen und des
kupfernen Blitzableiters konnte verhindert werden. „Ein Tag wehmütiger Trauer
für die ganze Pfarrei ... das Volk weinte wie beim Tod eines Pfarrers“, als
nach einem Abschiedsläuten die Glocken vom Turm herabgelassen und auf den
Bahnhof zum Weitertransport in die Munitionsfabriken gebracht wurden. Wilhelm Greff gehörte zu den im letzten Viertel des 19.
Jahrhunderts – also in der Zeit des ausklingenden Kulturkampfes – geborenen
Pfarrern, die neben ihrer originären und vornehmsten Aufgabe als Seelsorger
sich darüber hinaus äußerst engagiert den gesellschafts- und kulturpolitischen
Herausforderungen stellten und sich aktiv in die Tagespolitik einmischten und
nach der Katastrophe des Ersten Weltkrieges Parteiämter und kommunale Mandate
innehatten – eine heute schwer vorstellbare Konstellation. Kaum sechs Wochen nachdem Pfarrer Wilhelm Greff seine
Pfarrstelle in Hermeskeil angetreten hatte, setzte sich der damalige
Bürgermeister Otto von Waldstein mit ihm in Verbindung, um ihn für die im
Entstehen begriffene Höhere Schule zu
gewinnen. Pfarrer Greff erkannte die Chance, „die Söhne des doch nahezu ganz
katholischen Hochwaldes, besonders nach seinem immer sichtbarer werdenden
wirtschaftlichen Aufschwung“ , künftig leichter zum geistlichen Stand und den
übrigen akademischen Berufen zu führen. Auch forderte er, die jungen Menschen
nach ihrer Begabung zu fördern und „dass die höheren Stellen in Verwaltung,
Justiz, Medizin, Schule und Kirche nicht ein Privileg des Geldsackes sein
dürften“. Pfarrer und Bürgermeister
gewannen schnell die Unterstützung des Gutsbesitzers Hugo Weber und des
Forstmeisters Fuchs, beide Gemeinderatsmitglieder und es gelang ihnen, sehr
bald auch die übrigen „nur dem Bauernstand angehörigen“ Mitglieder zu
überzeugen. Mit knapper Mehrheit beschloss der Gemeinderat Hermeskeil im
November 1912 die Einrichtung einer höheren Schule, die dann im April des
darauffolgenden Jahres zunächst als zweiklassige Schule – Sexta und Quinta –
offiziell eröffnet wurde. In das Schulkuratorium wurde neben Bürgermeister Otto
von Waldstein auch Pfarrer Wilhelm Greff berufen. Das Lehrpersonal der
Volksschule mit Hauptlehrer Ludwig Bach an der Spitze war von der neuen Schule
nicht besonders angetan, „fürchtete man doch die besten Schüler der Volksschule
zu verlieren“. Durch die Vermittlung des Kreisschulinspektors Schulrat
Hochscheidt – der sich als Freund und Gönner der Höheren Schule verdient
gemacht hat – konnten die Bedenken der Volksschullehrer ausgeräumt werden. Das parteipolitische Engagement von Pfarrer Wilhelm Greff
beginnt drei Monate nach seiner Einführung in Hermeskeil mit einer stark
besuchten Versammlung der Zentrumspartei Ende November 1912 im Hotel Eiden von
der Lahr. „Aus allen Ortschaften der Umgebung kamen die Parteimitglieder“, um
ihre Vertreter in Berlin, die beiden Trierer Abgeordneten Ferdinand Schreiner
und Medard Hartrath, zu hören. Pfarrer Wilhelm Greff begrüßte die Anwesenden,
stellte die Herren Abgeordneten vor und erteilte ihnen das Wort. Zu Ende sprach Wilhelm Greff „in humorvollen
Worten das Schlusswort, stattete den beiden Rednern den Dank der Versammlung ab
und brachte ein lebhaftes Hoch auf die ruhmreiche Zentrumspartei aus“. In
regelmäßigen Abständen fanden in der Folge Versammlungen der Zentrumspartei
statt, auf denen entweder Pfarrer Greff als Vorsitzender selbst referierte oder
einen Gastredner verpflichtete wie z.B. bei der Zentrumsversammlung im Saal
Hotel Mönkemöller, wo der aus Hermeskeil gebürtige Pfarrer Johann Schmitt in
Gusenburg eine politische Rede hielt. Zur Erinnerung an die „vor 1600 Jahren von Kaiser Konstantin
unserer hl. Kirche im Edikt von Mailand geschenkten Freiheit“ fanden im Juli
des Jahres 1913 überall im Rheinland sogenannte Konstantinfeiern statt. Das
ganze Dorf war geschmückt und beflaggt. Nach einem Festgottesdienst zog die
ganze Pfarrei in geschlossenem Festzug mit Musik durch die mit Ehrenpforten geschmückten
Straßen zum sogenannten Zimmermannsplatz an der Nonnweiler Straße, der zu einem
Festplatz umgestaltet worden war. Hier hielt in Anwesenheit von Schulrat
Hochscheid und Freiherr von Beulwitz der Festredner „Se. Excellenz
Generalleutnant z.D. Freiherr von Steinaecker“ seine Ansprache, ehe auch
Pfarrer Wilhelm Greff das Rednerpult bestieg. „Jeder drängte sich näher, um
sich ja nicht seine beredten Worte entgehen zu lassen“. Vor allem gegen Ende des Ersten Weltkrieges kümmerte sich
Pfarrer Wilhelm Greff mit seinen katholischen Vereinen intensiv um Kontakte der
Frontsoldaten zur Heimat, die sich nicht nur in der Versendung von Tabak, Zigarren
und Zigaretten, Lebensmittel und Lesestoff erschöpfte. Die Fürsorge galt auch
dem im Krankenhaus eingerichteten Reservelazarett, das zeitweilig so überfüllt
war, dass die kranken und verwundeten Soldaten in der benachbarten Schule
untergebracht werden mussten. „Dass Hermeskeil in Bezug auf diese
Liebestätigkeit an Front- und Lazarettsoldaten alles Mögliche leistete, geht
aus dem eigenhändigen Handschreiben des Kronprinzen Wilhelm von Preußen an mich
sowie aus meiner Dekorierung mit dem Kriegsverdienstkreuz hervor“, schreibt Pfarrer Wilhelm Greff. Christliche Caritas übten Pfarrer Wilhelm Greff und seine
Pfarrkinder auch bei der Betreuung und Verpflegung zahlreicher Stadtkinder,
die, nach dem Kriegsende am härtesten von Hungersnot und Versorgungsnotstand
betroffen, zweifellos in Folge ihrer Unterernährung verloren gewesen wären. In
Hermeskeil waren zahlreiche Kinder aus der Pfarrei St. Aposteln in Köln und
zeitweise auch Kinder aus Wien in den Familien untergebracht – wie auch in den
benachbarten Pfarreien. „Es wird für immer ein Ruhmesblatt bleiben, dass auf
diese Weise tausende von Kindern gerettet wurden“. Der drohende militärische Zusammenbruch und damit das Ende
des Ersten Weltkrieges zeichneten sich schon im Herbst 1918 ab. Mit dem
sogenannten Kieler Matrosenaufstand begannen die revolutionären Umschichtungen
im Deutschen Reich, an deren Ende die Weimarer Republik stehen sollte. Die
reichsweit angezettelte Novemberrevolution schwappte gleich nach der Unterzeichnung
des Waffenstillstandsvertrages am 11. November 1918 auch ins Trierer Land über.
Pfarrer Wilhelm Greff beklagte mit tiefer Entrüstung „den demütigenden
Waffenstillstand“ und die revolutionären Vorgänge, die zur totalen Auflösung
von kirchlicher und staatlicher Autorität, Zucht und Ordnung und damit zur
Auflösung aller Moralgrundsätze führen würden. Auch Hermeskeil bekam „einen
kleinen Vorgeschmack vom Auftreten der Revolution“. In Anlehnung an die in den größeren Städten
praktizierte Besetzung der Ratshäuser drangen auch in Hermeskeil Personen, die
sich den Arbeiter- und Soldatenräten angeschlossen hatten, in das
Bürgermeistereigebäude ein, die aber wegen der Besonnenheit der diensttuenden
Beamten und Angestellten, die unbeeinflusst ihrer normalen Verwaltungstätigkeit
nachgingen, keinerlei Wirkung hinterließen. Nach dem Hochamt am 12. November
1918, als Pfarrer Wilhelm Greff mit seinen Pfarrkindern vor das Kirchenportal
trat, „standen plötzlich vier gewöhnliche Soldaten, mit roten Bändchen ausgezeichnet,
auf dem Marktplatz, traten an die aus der Kirche kommenden Soldaten heran,
rissen ihnen die Achselklappen ab. Ein Feldwebelleutnant (sic!) zeigte sich der
Situation gewachsen und verlangte den Berechtigungsschein. Da ging der Soldat
unverrichteter Dinge weg. Ein anderer versuchte eine Rede zu halten. Das Volk,
das den Redner nur zu gut kannte, lachte ihn aus und er zog ebenso beschämt ab.
In den Mittagsstunden versuchten die vier wieder sich an die Soldaten des
Lazaretts heranzumachen, zogen es doch vor, zurückzuweichen“. Später stellte
sich durch Mitteilung des Soldatenrates in Trier heraus, dass diese vier Leute
weder ein Recht noch einen Auftrag zu ihrem Vorgehen hatten. Aufgeschreckt von diesem eher improvisierten und
operettenhaft anmutenden Revolutionsereignis, zum anderen aber auch, um das
politische Feld für die für Januar 1919 angekündigten Wahlen zur
verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung zu beackern, rief Pfarrer
Wilhelm Greff als Vorsitzender der Hermeskeiler Zentrumspartei Unterstützungs-
bzw. Fördervereine für Männer und Frauen ins Leben. Zunächst fand im
überfüllten Saal und Gastraum im Hotel Eiden von der Lahr eine
Männer-Versammlung statt. „Der ‚Einberufer‘, Pfarrer Greff, gab als Zweck die
Organisation aller bürgerlich gesinnten Kreise an zu dem unvermeidlich
gewordenen Kampfe gegen die Elemente des Umsturzes. In den Vorschlag der
Gründung eines Zentrumsvereins stimmten alle Anwesenden ein. Wilhelm Greff
wurde zum Vorsitzenden und Bürgermeister Clemens von Wendt zu seinem
Stellvertreter gewählt. Die Funktion eines Kassierers übernahm Hauptlehrer
Ludwig Bach. Angestrebt war auch eine Frauenorganisation. „Durch häufige
Versammlungen beider Verbände soll nach der Parole ‚Getrennt marschieren,
vereint schlagen‘ die Vorarbeit zur Nationalversammlung geleistet werden“
machte der Pfarrer und Zentrumsvorsitzende seinen Getreuen Mut auf ein gutes
Abschneiden. Zehn Tage später konnte Pfarrer Wilhelm Greff einen großen Kreis
interessierter Frauen zur Gründung einer Frauenorganisation der Zentrumspartei
begrüßen. Die Frauen lauschten den zweistündigen Ausführungen von Wilhelm
Greff, der es unternommen hatte, „die bisher nur in der kleinen Innenwelt des
Haushalts lebenden Frauen auch einmal einen Blick in die augenblicklichen trostlosen
Zustände der großen Umwelt, der politischen Lage im engeren und weiteren
Vaterlande, werfen zu lassen“.
Dreihundert der anwesenden Frauen trugen sich spontan in die
Mitgliederliste ein. Kurz darauf fand eine große von Pfarrer Wilhelm Greff
einberufene Wahlveranstaltung der Zentrumspartei statt. Bei den Wahlen zur
ersten deutschen Nationalversammlung ging die SPD als stärkste Fraktion hervor
und bildete mit dem Zentrum und der liberalen Deutschen Demokratischen Partei
die sogenannte Weimarer Koalition mit Friedrich Ebert als erstem Reichskanzler
der Weimarer Republik. Eine Bewegung, die die Deutschen und ganz Europa in eine nie
dagewesene Katastrophe führen sollte, hatte 1920 mit der Gründung der
Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im Münchener
Hofbräuhaus seinen unrühmlichen Anfang genommen. Seit 1921 war Adolf Hitler
Ideengeber und Anführer der neuen Partei, die in Folge des sogenannten
Hitler-Ludendorff-Putsches im November 1923 verboten wurde. Adolf Hitler wurde
zu einer Festungshaft verurteilt, aber vorzeitig entlassen, so dass er die
NSDAP im Februar 1925 neu gründen konnte. Hitlers ideologische Vorstellungen
von ausgeprägtem Nationalismus, seine strikte Ablehnung der demokratischen
Strukturen der Weimarer Republik, sein radikaler Antisemitismus und seine Abneigung
gegen Marxismus und Bolschewismus fanden zunächst vereinzelt, dann immer mehr
Anhänger. Im Jahre 1926 gründete der 26-jährige Gustav Simon in Hermeskeil –
wohin sein Vater Adam Simon Ende des Ersten Weltkrieges als Nachfolger des
dortigen Bahnhofsvorstehers versetzt worden war – eine NSDAP-Ortsgruppe, die
als Keimzelle für den sich ausbreitenden Nationalsozialismus im Hochwald, ja im
ganzen Trierer Land angesehen werden kann. Zum ersten Ortsgruppenleiter wurde
der Sattlermeister Wilhelm Sander bestimmt. Für Dechant Wilhelm Greff, der sich
als Religionslehrer an der Höheren Schule schon sehr früh gegen die
ideologische Beeinflussung der Jugend durch den aufkommenden Hitlerismus
wehrte, muss es wohl ein Schock gewesen sein, mehrere seiner sehr begabten
Schüler unter den jugendlichen Parteigründern zu wissen, darunter die beiden
jüngeren Simon-Brüder Paul und Otto und den erst 12-jährigen Peter Klos. Ihre erste große öffentliche Versammlung mit 300 Zuhörern
hatte die NSDAP-Ortsgruppe Hermeskeil im Dezember 1927 im Gasthaus Eiden von
der Lahr. Die Versammlungsleitung hatte SS-Standartenführer Karl Zenner inne,
als Hauptredner war der Gauleiter Dr. Robert Ley eingeladen, der in Begleitung
von fünfzehn uniformierten Hitlerjungen mit Parteifahnen in den Saal geleitet
wurde. Neben den Mitgliedern und Anhängern der NSDAP waren zahlreiche
Sozialdemokraten mit ihrem Generalsekretär Hans Reifferscheidt aus Trier,
einige Kommunisten und fast alle jüdischen Mitbürger erschienen. In der
Versammlung ging es turbulent her, nachdem Dr. Ley „in den gemeinsten und
niederträchtigsten Schimpfworten“ seine antisemitischen Hasstiraden in die
Reihen der Versammelten schleuderte und „ehrbare Bürger aller Kategorien und
Konfessionen angriff, was ihm im heftigsten Widerspruch heimgezahlt wurde“. Am
peinlichsten berührte es die Anwesenden wohl, als Robert Ley „die Hitlerpartei
als Retter und Verteidiger des Christentums bezeichnete“. Als Diskussionsredner
– denen man mit Bedacht nur zehn Minuten Redezeit eingeräumt hatte – traten der
SPD-Ortsvorsitzende Pfaff und zwei Kommunisten, vor allem aber Dechant Wilhelm
Greff auf, der sich in einer couragierten Rede gegen die schamlosen
Unterstellungen zur Wehr setzte – „in sittlicher Entrüstung namens der
sämtlichen Hermeskeiler Bürger. Es war für ihn eine Leichtigkeit, die
Versammlung davon zu überzeugen, dass die Hitlerleutchen vom christlichen
Standpunkte keine Ahnung haben. Christus predigte den Frieden, diese aber
entfachen mit ihrem Holzsäbelgerassel den Brand im eigenen Vaterland. Sie sitzen
wie die Geier auf den Trümmern der Revolution und versuchen das letzte
Blutströpflein den Übriggebliebenen auszusaugen. Und wenn sie von dem Ausmisten
im Stalle des deutschen Vaterlandes sprechen, dann geben wir ihnen den guten
Rat, erst ihren eigenen Mist vor der Türe wegzufegen. Wir brauchen in unserem
friedlichen Ort solche Unheilstifter nicht, wir wissen selbst gut genug, was
allen not tut“. Sang- und klanglos zogen die Nazis und ihre Sympathisanten ab,
ohne auch nur den geringsten Erfolg verzeichnen zu dürfen. „Hätten die Hitlerleute
nicht unter polizeilichem Schutz gestanden, wären sie bestimmt von unseren
sonst friedlichen Bürgern aller Schattierungen handgreiflich aus unserem Orte
vertrieben worden“. In der Lokalpresse war wenige Tage später zu lesen, dass
der Vorsteher der Hermeskeiler Judengemeinde Ackermann darum gebeten hatte,
Herrn Dechant Greff für sein vornehm-sachliches Eintreten für die jüdischen
Bürger an dieser Stelle öffentlich zu danken“. Diese schmachvolle Niederlage
hatte die noch junge NSDAP-Ortsgruppe und ihre Repräsentanten gewurmt und noch
jahrelang nachgewirkt und als Dr. Robert Ley im Jahre 1936 aus Anlass des
zehnjährigen Bestehens der Hermeskeiler NSDAP Ende Oktober 1936 als Festredner
eine schwungvolle Rede hielt, konnte er es sich nicht verkneifen, „mit
Nachdruck auf einen Geistlichen hinzuweisen, der 1927 es über sich gebracht
hatte, bei der ersten Versammlung der Ortsgruppe Hermeskeil gegen den
Nationalsozialismus aufzutreten, der heute aber, obwohl die ganze Bevölkerung
sich zur Idee Adolf Hitlers bekenne, fehle“. Die vielen Wahlen zu Reichstag und Landtag, die
Volksbegehren und Volksentscheide bis zur sogenannten Machtergreifung im Januar
1933 brachten eine unübersehbare Welle von Parteiveranstaltungen mit sich, bei
denen die aggressive Propagandatätigkeit der NSDAP und deren Presse jeden
Rahmen sprengte. Immer wieder stand Dechant Wilhelm Greff in seiner Eigenschaft
als führender Zentrumsmann im Fokus polemischer Angriffe, bei denen sich vor
allem sein ehemaliger Religionsschüler Paul Simon als Schriftleiter des Trierer
Nationalblattes unangenehm hervortat. Es ist glaubhaft überliefert, dass sein
älterer Bruder Gustav Simon bei einem seiner zahlreichen Besuche in seiner
Hermeskeiler Hochburg des Nationalsozialismus gesagt haben soll, als wieder
einmal ein gegen Dechant Wilhelm Greff gerichtetes Pamphlet die Runde machte:
Lasst mir den alten Mann in Ruhe! Ihm
ging die ständige Hetze gegen den inzwischen 60-jährigen und bei seinen Pfarrkindern
in hohem Ansehen stehenden Seelsorger offensichtlich zu weit, auch weil er Akzeptanzverluste
gegenüber seiner Partei befürchten musste. Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30.
Januar 1933 durch den alten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg begann die
systematische Aushöhlung und Zerstörung der Weimarer Demokratie und nach knapp
einem halben Jahr war die von den Nationalsozialisten propagierte Machtergreifung
weitgehend abgeschlossen. Mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am
23. März 1933 hatte sich das Parlament selbst entmachtet und die
Hitlerregierung quasi mit Gesetzgebungsvollmacht ausgestattet. Ein ganzes Volk
wurde gleichgeschaltet und wer sich nicht zur Volksgemeinschaft gehörig
äußerte, musste mit staatlichen Repressionen rechnen. Die Institutionalisierung
des nationalsozialistischen Herrschaftsgefüges wurde brutal und rücksichtslos
mit Terror und Gewalt auf allen Ebenen durchgesetzt. Nach den letzten freien
Wahlen am 5. März 1933 titelte das Trierer Nationalblatt „Volkssturm auf die
Rathäuser“ und forderte, dass „die schwarz-roten Korruptionsparteien jetzt aus
den Stadtparlamenten fortgejagt werden“ müssen. Äußere Zeichen setzten die
Nationalsozialisten mit „der feierlichen Hissung (sic) der Fahnen des
erwachenden Deutschlands auf den deutschen Rathäusern“. Auch in Hermeskeil
wurde von örtlichen SA- und SS-Männern eine Hakenkreuzfahne auf dem Amtsgebäude
hochgezogen und „weht seither zur Freude der nationalen Bevölkerung“ Aus Sicht
der Hermeskeiler Nationalsozialisten begann „ein neuer Kampfabschnitt in der
Eroberung des Hochwaldes“. Dechant Wilhelm Greff wird diese Entwicklung mit großer
Sorge beobachtet haben. Als der nationalsozialistisch dominierte Gemeinderat
von Hermeskeil am 18. Juli einstimmig beschloss, „dem Herrn Reichspräsidenten
Paul von Hindenburg, unserem Führer Adolf Hitler, dem Gauleiter des Gaues
Koblenz-Trier Pg. Gustav Simon und dem Stabsleiter Pg. Dr. Robert Ley die Ehrenbürgerrechte
zu verleihen“, muss für Dechant Wilhelm Greff eine Welt zusammengebrochen sein,
waren für ihn doch die Nationalsozialisten alle gottlose Gesellen und
insbesondere Hitler die Inkarnation des Bösen. Hilflos musste er die schnelle
Hinwendung zur Nazi-Ideologie an Höherer Schule und Volksschule zur Kenntnis
nehmen, wo das Lehrpersonal schon früh geschlossen dem Nationalsozialistischen
Deutschen Lehrerbund NSDLB beigetreten war. Als Religionslehrer schmerzte es
ihn, dass „die deutschen Schüler und Schülerinnen der Höheren Schule ...
hundertprozentig in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen eingegliedert
seien“, dass sie als erste Schule des Bezirks auf ihrem Gebäude die HJ-Flagge
hissen durfte und auch die Volksschule mit der Hakenkreuzfahne geschmückt war,
wenn er dort seine planmäßigen Religionsstunden erteilte. Statt Grüß Gott hieß es nun Heil Hitler und die Lerninhalte
wurden nach und nach vom nationalsozialistischen Geist durchdrungen.
Gleichzeitig setzte eine Diffamierungs-, Zermürbungs- und Vernichtungskampagne
gegen die katholischen Jugendvereine ein, ganz im Sinne nationalsozialistischer
Gleichschaltung bzw. Ausschaltung der Vereine und Gruppen, die mit dem neuen
System nicht konform zu gehen bereit waren. Für den katholischen
Religionslehrer an den Hermeskeiler Schulen Dechant Wilhelm Greff entstand eine
schwierige Situation, zumal er aus seiner Abneigung gegen den
nationalsozialistischen Absolutheitsanspruch des Staates gegenüber der Kirche
nie einen Hehl gemacht hat und sich auch kritisch über das zwischen Staat und
Kirche ausgehandelte Konkordat äußerte – auf Versammlungen, von der Kanzel und
in den Schulen. An der Höheren Schule kam es im Juli 1934 zum Eklat, als
vierzehn namentlich benannte Schüler der Obertertia ihren Religionslehrer
Wilhelm Greff beim Vertrauenslehrer Studienassessor Franz Züscher denunzierten,
weil er herabsetzende Äußerungen über die Hitlerjugend und deren unchristliche
Praktiken etwa bei der Sonnwendfeier äußerte und überhaupt die Vereinnahmung
der Jugend durch einen gottlosen Staat geißelte. Den Ausspruch des
Jugendführers Baldur von Schirach, die Jugend gehöre dem Staat, bezeichnete
Wilhelm Greff als falsch, „die Jugend gehöre erst Gott, dann den Eltern und
dann dem Staat. An der Spitze des Staates stünden Männer, die ... hätten
überhaupt keine Religion...“. Im Zusammenhang mit der Sonnwendfeier soll der
Religionslehrer den dabei verwendeten Spruch „Wotan, wir kommen dir zu opfern“
als Heidentum und Götzendienst bezeichnet haben. Der Leiter der Öffentlichen
Höheren Schule Hermeskeil, Dr. Paul Ließem, „lobte das Verhalten der Schüler,
weil sie sofort den vorgezeichneten Weg zum Vertrauensmann gegangen wären und
versicherte, dass bekanntlich in der hiesigen Anstalt nicht nur nicht der HJ
Entgegenstehendes geduldet, sondern diese in jeder Weise gefördert wird“ – ein
klares und unmissverständliches Bekenntnis zu der nationalsozialistischen
Jugendformation, deren Jugendführer Peter Klos – als ehemaliger Schüler an der
Höheren Schule in Hermeskeil – die Zeichen der Zeit verinnerlicht hat, wie man
seinem Appell „an die noch abseits stehende Jugend“ anlässlich der Feierlichkeiten
„Fünf Jahre Hitler-Jugend in Hermeskeil“ vernehmen kann: „ ... denn die Zeit
ist nicht mehr fern, in der auch ihr in das Leben des neuen Staates eintreten
wollt und dann wird es sich zeigen, ob ihr die Schule der HJ durchgemacht habt
oder nicht! Denn nur dem Jungen steht im Dritten Reich der Weg zum Leben offen,
der restlos und mit Hingabe sich freiwillig im Dienste der Idee in die
Hitlerjugend einordnet“. Dechant Wilhelm Greff wurde vom Schulleiter
aufgefordert, „zu den anliegenden Äußerungen – gütigst möglichst umgehend –
schriftlich Stellung nehmen zu wollen“. Aus einem Bericht der bischöflichen
Behörde an den Regierungspräsidenten in Trier ging hervor, dass die Äußerungen
des Dechanten „im Allgemeinen einwandfrei sind, wenn er auch besser Gebiete
vermieden hätte, auf denen infolge der heute vorhandenen zwiespältigen
Grundauffassungen Missverständnisse leicht eintreten, besonders bei der noch
unreifen Jugend“. An Dechant Wilhelm Greff ging die Empfehlung, „sich auf die
positive Darstellung der katholischen Wahrheiten zu beschränken und alle polemischen
Wendungen möglichst zu vermeiden“. Man rechnete mit seiner Einsicht als
umsichtiger und besonnener Mann, allerdings dürfe er als Priester zu Vorgängen
wie bei der Sonnwendfeier nicht schweigen. Drei Wochen später verzichtete
Dechant Wilhelm Greff ohne Angabe von Gründen auf die weitere Ausübung des
Religionsunterrichts an der Höheren Schule. Den Verzicht bezeichnete das
Schulkuratorium als „einen politisch-religiösen Vorfall“, dessen Ursachen in
den durch die Verhältnisse bedingten Spannungen lägen und schloss ihn als
Kuratoriumsmitglied aus. Es schien, als habe man einen von den örtlichen
Parteidienststellen als „politisch unzuverlässig“ eingestuften Ortsgeistlichen
„mürbe gemacht“, einen Mann, der sich um die Höhere Schule große Verdienste
erworben hat. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu
Konfliktsituationen zwischen Dechant Wilhelm Greff und der örtlichen
Parteiführung unter Kreisleiter Peter Schmitt. Zwar fehlte ihm seit der
Machtergreifung die Plattform für politische Versammlungen, doch auf der Kanzel
und im kirchlichen Bereich machte er nach wie vor keinen Hehl aus seiner
Abneigung gegenüber den Nationalsozialisten. Das brachte mehrere Anzeigen mit
anschließendem Verfahren gegen das Heimtückegesetz, das Flaggengesetz u.a., die
aber alle eingestellt wurden. Im Mai 1935 veranstaltete Dechant Wilhelm Greff eine
unerlaubte Männerprozession, die nachts um drei Uhr begann und um sechs Uhr
beendet war. Da eine polizeiliche Erlaubnis nicht vorlag, wurde der Pfarrer
staatspolizeilich verwarnt. Im März 1937 hatte er von schweren Notzeiten, von
Fleisch- und Fettkarten gepredigt und „damit das Vertrauen zu der politischen
Führung zu untergraben versucht“, was ihm ein Verfahren einbrachte, das aber
ein Jahr später auf Grund des neuen Straffreiheitsgesetzes eingestellt wurde.
Kreisleiter Peter Schmitt beschwerte sich mehrmals darüber, dass der Pfarrer es
nicht an versteckten Äußerungen fehlen ließ. „Die aktuellen örtlichen Ereignisse
der Partei unterzog er regelmäßig im Rahmen einer sonst religiösen Predigt
einer Kritik, ohne dass er hierfür zur Rechenschaft gezogen werden konnte. So
benutzte er die Kirchenaustrittserklärungen eines Teiles der Amtsleiter dazu,
im Zusammenhang mit einer Erläuterung des Dogmenbegriffes der katholischen
Kirche zu erklären, dass junge, unreife Leute sich anmaßten, an der Tatsache
des Vorhandenseins von Dogmen Kritik zu üben. Jeder vernünftige Mensch müsse
einsehen, dass dem Begriff der Religiosität im Sinne dieser unreifen Leute kein
Gehalt innewohne“. Obwohl Dechant Greff in seiner Predigt keine Namen nannte,
wusste doch jeder Kirchenbesucher, dass er nur die kurz zuvor aus der Kirche
ausgetretenen Parteigenossen treffen wollte. Als die Beflaggung der öffentlichen Gebäude, auch der
katholischen Kirche, aus Anlass einer Staatsfeier angeordnet wurde, hatte
Pfarrer Greff die Kirchenfahnen höher und weithin sichtbarer geflaggt als er
dies gewöhnlicherweise beim Zeigen der Reichsflagge tat. Das brachte ihm einen
amtlichen Rüffel ein und die Forderung, künftig der Reichsflagge einen ebenso
bevorzugten Platz einzuräumen wie den Kirchenfahnen. Dechant Wilhelm Greff
scherte sich nicht um die Rüge und unterließ es bei der nächsten Beflaggungsanordnung
aus Anlass des Heldengedenktages überhaupt eine Fahne aufzuziehen. Das brachte
ihm erneut ein Verfahren wegen Vergehens gegen das Flaggengesetz ein, das aber
ebenfalls niedergeschlagen wurde. Zu einer größeren Affäre wurde Pfarrer Greffs
Predigt aufgebauscht, die er am 3. September 1939, dem ersten Sonntag nach dem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Polen hielt. Ein von Kreisleiter Peter
Schmitt angesetzter Parteispitzel gab den Inhalt der Predigt wieder, „der Krieg
sei eine Zuchtrute Gottes, siegen könne nur der, der mit Gott in den Kampf ziehe.
1914 seien die Krieger alle zu ihm zur Generalbeichte und zur Kommunion
gekommen, diesmal hätte nicht einer den Weg zu ihm gefunden. Die
Schlussfolgerung, dass wir deshalb den Krieg verlieren würden, überließ er den
Zuhörern“. Außerdem habe Pfarrer Greff „Hitler mit Goliath und das überfallene
Polen mit David verglichen“, was ihm umgehend ein Predigtverbot des
Hermeskeiler Bürgermeisters Fritz Madel einbrachte. Von einer Inschutzhaftnahme
von Pfarrer Greff wurde zwar Abstand genommen und das Verfahren eingestellt,
aber auf bischöfliche Anordnung wurde ihm „Mahnung und Weisung gegeben, gerade
in der heutigen Zeit mit Predigten und allen Reden äußerst vorsichtig zu sein
und alles zu vermeiden, was irgendwie zur Beunruhigung der Bevölkerung
beitragen könnte“. Vier Wochen nach diesem Vorfall erhielt Dechant Greff
Nachricht, dass der Saal und drei weitere Räume in der ersten Etage des
Pfarrhauses unverzüglich zu räumen seien, da das Grenzkommissariat der Geheimen
Staatspolizei in Saarburg auf höhere Anweisung ihren Dienstsitz nach Hermeskeil
zu verlegen genötigt sei. Um die Gestapo dienstlich ordnungsgemäß unterbringen
zu können, müssten die Räumlichkeiten im Pfarrhaus nach dem Wehrleistungsgesetz
beschlagnahmt werden. Als am 29. Oktober 1939 der Militärgeistliche Josef
Kayser sich bei Dechant Greff meldete, fand er zu seinem großen Erstaunen acht
Mann Gestapo im Pfarrhaus vor, „wohl der einzige Fall im Reich, wo Gestapo in
einem Pfarrhaus wohnte“. Dass die Einquartierung auf Veranlassung von Gauleiter
Gustav Simon, den er einmal im Religionsunterricht geohrfeigt habe, geschehen
sein soll, wie der Wehrmachtsgeistliche in seinem Kriegstagebuch vermerkt,
dürfte so nicht stimmen. Mit Verfügung vom 24. April 1940 wurde die staatliche
Pfarrbesoldungsbeihilfe gesperrt, weil er „seine staatsfeindliche Einstellung
in den sieben Jahren des Aufbaues nicht geändert habe“. Er wurde einer
staatlichen Unterstützung nicht mehr für würdig befunden. Dass Dechant Wilhelm Greff aufgrund seiner resoluten und
konsequenten Gegnerschaft zu den Nationalsozialisten, seiner wortgewaltigen
Reden gegen einen als missionarische Heilsfigur überhöhten Adolf Hitler und
seine Epigonen verhaftet oder in Schutzhaft genommen worden oder sonstigen
lebensbedrohenden Repressalien oder Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen
wäre, ist nicht bekannt. Das ist insofern erstaunlich, dass andere Widerstandspfarrer
wegen weit geringerer Vergehen mit schweren Strafen, in Einzelfällen mit
mehrjährigen Zuchthausstrafen belegt wurden. Verstand es Dechant Wilhelm Greff,
„sich auf dem schmalen Grat hart an der Grenze der Legalität zu bewegen, um so
KZ und Zuchthaus zu vermeiden“ oder sollte es bei den örtlichen
Parteifunktonären doch so etwas wie latenten Respekt vor dem unbeugsamen Willen
des „alten Mannes“ gegeben haben, der sie den letzten Schritt scheuen ließ? Am 4. März 1944 starb Dechant Wilhelm Greff im 72.
Lebensjahr. Er war 32 Jahre lang Pfarrer in Hermeskeil gewesen. Man sucht
vergebens nach einer Nachricht über Tod oder Begräbnis des streitbaren Mannes,
dessen vielfältige Aktivitäten jahrzehntelang die Spalten der lokalen
Presseorgane füllten. Das Trierer Nationalblatt, das ein Jahr vor Kriegsende
noch als einzige Zeitung in einer dünnen Ausgabe erschien, würdigte seinen
Erzfeind mit keiner Silbe. Ein Jahr später endeten die verlogenen Träumereien
vom Endsieg in der größten Katastrophe des deutschen Volkes, in einer
Katastrophe, vor der der Dechant und Zentrumspolitiker Wilhelm Greff schon im
frühen Stadium des aufkommenden nationalsozialistischen Hitlerismus
unerschrocken und wortgewaltig gewarnt hatte. Als Nachfolger wählte das
Dekanatskapitel den 58-jährigen Keller Pfarrer Matthias Kuhn zum neuen
Dechanten. |
Dieser Aufsatz ist erschienen in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 2012 Buch neu erschienen: Dittmar Lauer Wilhelm Greff Pastor in Hermeskeil. Seelsorger und Politiker zwischen Kaiserreich und Hitlerdiktatur |