Hexenprozesse im Hochwald


Dittmar Lauer

_________________________________________________________________________

1. Das Untersuchungsgebiet

Unter Hochwald verstehen wir heute den Teil des südwestlichen Hunsrücks, der sich in nord-südlicher Richtung vom Osburger über den Schwärzwälder Hochwald bis in den Raum Losheim-Merzig und von Westen nach Osten von der Saar bis zur Mark Thalfang erstreckt. In seinen Wurzeln läßt sich dieser Hochwald als erzbischöflicher Hoheitswald in der Bannforsturkunde des lotharingischen Königs Zwentibold aus dem Jahre 897 greifen. Hochwald ist demnach kein Terminus aus der Forstwirtschaft, sondern eine nun 1100 Jahre alte Bezeichnung für das von Zwentibold zugunsten der Trierer Kirche gebannte Waldgebiet, dessen Grenzen in späteren Privilegien mit Dhron, Prims, Saar und Mosel angegeben werden.

In den Grenzen der heutigen Gebietskörperschaften umfaßt der Hochwaldraum die Verbandsgemeinden Kell und Hermeskeil und die Höhengemeinden der Verbandsgemeinde Ruwer aus dem Kreis Trier-Saarburg und die Mark Thalfang im Kreis Bernkastel-Wittlich auf der rheinland-pfälzischen Seite, sowie die Großgemeinden Wadern, Weiskirchen, Losheim und Teile von Merzig im Kreis Merzig-Wadern und die Gemeinde Nonnweiler mit den Ortschaften des ehemaligen Eberswaldes im Kreis St. Wendel auf saarländischem Territorium.

Für die Zeit der Hexenprozesse läßt sich der Hochwaldraum in folgende Verwaltungseinheiten bzw. Herrschaftsbezirke gliedern:
1. das kurfürstliche Amt Grimburg,
2. Teile der kurfürstlichen Ämter Saarburg, Pfalzel, Merzig und St. Wendel,
3. das sponheimische Amt Dhronecken in Teilen,
4. die Domkapitularische Herrschaft Schillingen,
5. die St. Pauliner Propstei Heddert,
6. der Propstei St. Simeon in der Grafenhut und
7. die Hochgerichte der im Entstehen begriffenen Freien Reichsherrschaft Dagstuhl.

Im Folgenden soll das Untersuchungsgebiet auf das Amt Grimburg und die in dieses Amt inselartig eingeschlossenen Herrschaften des Domkapitels in Schillingen und der Propstei des Kollegiatsstiftes St. Paulin in Heddert und das Dagstuhler Land eingeengt werden, einmal wegen des zur Verfügung stehenden Platzes und vor allem wegen der guten Quellenlage.


2. Die Quellenlage

Von den über 300 Hexenprozessen, die sich in den Grenzen des anfangs beschriebenen Hochwaldraumes nachweisen lassen, entfallen 172 auf das enger gezogene Untersuchungsgebiet und zwar für den Zeitraum 1523-1630.

Die in Frage kommenden Belege in Form von eigentlichen Hexenprozeßakten, Streitsachen in Hochgerichtsangelegenheiten, Rechnungsbüchern und son-stigem Schrifttum lagern in folgenden Archiven:
    4    Belege im Bistumsarchiv Trier,
    18    Belege im Stadtarchiv Trier,
    34    Belege im Landeshauptarchiv Koblenz,
    52    Belege im Fürstlich Öttingen-Wallersteinschen Archiv im Schloß Har-        burg und
    64    Belege im Landesdarchiv Saarbrücken, zusammen also
    172    Belege.

Bei den im Landeshauptarchiv in Koblenz aufbewahrten Archivalien handelt es sich meist um die über das seinerzeitige französische Departementsarchiv dorthin gelangten Bestände des Trierer Kollegiatsstifts St. Paulin, Abt. 213, und des Domkapitels, Abt. 1D. Die zunächst ebenfalls in Koblenz eingestellte Abt. 38 der Reichsherrschaft Dagstuhl ist seit Jahren als Dauerdepositum im Landesarchiv Saarbrücken untergebracht.

Die Hexenprozeßbelege im Fürstlich Öttingen-Wallersteinschen Archiv im Schloß Harburg, am Südrand des Nördlinger Rieses gelegen, sind erst in jüngerer Zeit erschlossen worden. Diese und andere Teile des ehemaligen Dagstuhl-Söternschen Archivs sind auf Erb- und Vergleichswege von der letzten Inhaberin der Reichsherrschaft Dagstuhl, der Fürstin Philippine Caroline von Colloredo-Mannsfeld, eine geborene Gräfin von Öttingen-Baldern und Sötern, auf ihren Verwandten, den Fürsten Kraft Ernst von Öttingen-Wallerstein gekommen. Die ungewöhnliche Streulage des Dagstuhl-Söternschen Archivs liegt in der weitverzweigten Besitz- und Familienstruktur und der engen verwandtschaftlichen Verbindung zum deutschen Hochadel, etwa den Fürsten von Schwarzburg, den Truchsessen von Waldburg-Zeil, den Grafen und Fürsten von Schönborn, Hohenzollern, Colloredo-Mannsfeld u.a. begründet.
3. Die Hochgerichte

Von den für das Untersuchungsgebiet bisher bekannten 172 Hexenprozeßverfahren wurden 9 vor dem Hochgericht der St. Pauliner Propstei Heddert und 17 vor dem Hochgericht der Domkapitularischen Herrschaft Schillingen geführt. Auf der Burg Grimburg, dem Verwaltungs- und Gerichtssitz des kurfürstlichen Amtes Grimburg, wegen seiner Gebietsgröße mit über 40 Ortschaften im heute rheinland-pfälzischen und saarländischen Hochwaldraum vom Trierer Erzbischof und Kurfürsten Balduin von Luxemburg Mitte des 14. Jahrhunderts in die zwei Unterämter oder Pflegen Kell und Reinsfeld unterteilt, fanden 47 Hexenprozesse der verschiedenen Hochgerichte statt. Darunter 18 Prozesse der zur Herrschaft Dagstuhl gehörenden Gemeinde Mandern-Niederkell. Die Hochgerichtsrechte in dieser Doppelgemeinde richteten sich nach dem Verhältnis der Besitzanteile von Kurtrier, den Abteien St. Matthias und St. Maximin und eben den Herrn von Dagstuhl-Sötern, denen die Stabhalterschaft sieben Jahre nacheinander zustand. Hinweise auf diese prozessuale Abfolge gibt das Manderner Weistum aus dem Jahre 1549, in dem die Festnahme eines mißtätigen Menschen den vier Herrn kundgetan werden soll, die umb einen thurn zu Grimburg nachsuchen, damit dem armen Menschen sein Recht geschehe.

99 Hexenprozesse lassen sich in den Hochgerichten der Herrschaft Dagstuhl nachweisen, davon 56 im Hochgericht Schwarzenberg-Weierweiler, 41 im Hochgericht Dagstuhl-Wadern und 2 im Jahre 1540 noch selbständigen, später dem Hochgericht Schwarzenberg zugeordneten Hochgericht Lockweiler.

Sowohl Schwarzenberg als auch Lockweiler gehörten zur Jahrtausendwende zum Familienbesitz der lothringischen Grafen von Metz. Burg und Herrschaft Schwarzenberg und Teile von Lockweiler kamen über Erbweg an das Herzogshaus von Lothringen, ein anderer Teil von Lockweiler an das Domkapitel zu Speyer und ein weiterer Anteil an Lockweiler an das Trierer Erzstift. Auf dem vom Erzstift abhängigen Grund und Boden von Lockweiler entstand Ende des 13. Jahrhunderts die Burg und Herrschaft Dagstuhl, begründet von den Edelherrren von Saarbrücken, die seit 1200 auf der benachbarten Grimburg als Amtmänner und Burggrafen der Trierer Erzbischöfe und Kurfürsten residierten.

Im Zuge der aggressiven Burgenpolitik Balduins von Luxemburg gerieten sowohl die Burg Schwarzenberg als auch die Burg Dagstuhl in Trierer Lehnsabhängigkeit. Das speyerische Hochgericht Lockweiler wurde später mit dem Hochgericht Schwarzenberg zusammengelegt, wie das Weistum von 1560 ausführt: Als Hochgerichtsherren weisen die Scheffen den Kurfürsten von Trier und die Herren von Brucken als Lehnsnehmer des Bischofs von Speyer.

Burg und Herrschaft Dagstuhl war Ende des 14. Jahrhunderts durch Einheirat in den gemeinsamen Besitz der Herren von Fleckenstein, von Rollingen, von Kriechingen und von Brucken gekommen. Den jeweiligen Inhabern der unter Trierer Oberhoheit stehenden Ganerbenburg standen die Hochgerichtsrechte im Anteil ihrer Besitzverhältnisse zu. Einem auf den Burgherrentagen erwählten Baumeister oblag die Wahrnehmung der Hochgerichtsrechte. Diese Besitz- und Rechtsteilung ging nicht immer reibungslos über die Bühne, so daß mehrere Prozesse geführt wurden, denen wir zahlreiche Hinweise auf frühe Hexenprozesse im Dagstuhler Herrschaftsbereich verdanken.

Philipp Christoph von Sötern, seit 1610 Fürstbischof zu Speyer, seit 1611 Richter am Reichskammergericht und seit 1623 Erzbischof und Kurfürst von Trier, fügte die verschiedenen vorgenannten Hochgerichts- und Herrschaftsbezirke zusammen und schuf den Grundstock des Söternschen Fideikommis-ses bzw. der späteren Freien Reichsherrschaft Dagstuhl. Spätestens mit dem Jahre 1625 ist Sötern bzw. sein von ihm mit Dagstuhl belehnter nächster Verwandter Johann Reinhard von Sötern im vollen Besitz der Hochgerichtsrechte und für die Durchführung der ab diesem Zeitpunkt wieder aufflammenden Hexenprozesse in der Herrschaft Dagstuhl verantwortlich.


4. Die Statistik

Den ersten Hinweis auf eine Hexenverbrennung im Untersuchungsgebiet liefert ein Vermerk in der Dagstuhler Rechnungslegung für das Jahr 1523: Item als mir die Frau zu Waddern gegriffen hun und sie vor Gericht gestelt, ist sie verbrent worden und ir Gut von den Scheffen geschetzt worden vor hundert Gulden.

Die letzten bekannten Hexenprozesse sind Ende des Jahres 1630 festzustellen. Am 8. Oktober wird ein Matthias Barten aus Noswendel vom Hochgericht Dagstuhl verurteilt und am 14. Dezember Maria, die Frau des Schäfers Hans aus Kell vom Hochgericht Grimburg. Zwei Tage später wird vom Hochgericht der Domkapitularischen Herrschaft Schillingen der Stab über der Schwiegermutter des Schillinger Hochgerichtsschultheißen, Maria Sallen, gebrochen.

Eine statistische Auswertung der Hexenprozesse ergibt, daß in der Zeit von 1523 bis 1587 insgesamt 24 Frauen angeklagt und verurteilt worden sind. Von diesen Frauen ist eine entlaufen, eine weitere in der Haft gestorben. Die Verfahren sind alle in den Hochgerichten des Dagstuhler Einflußbereiches inszeniert worden: im Hochgericht Dagstuhl selbst und in den Hochgerichten Schwarzenberg, Lockweiler und Mandern.

Ab dem Jahr 1588 häufen sich die auf der kurfürstlichen Landesburg Grimburg geführten Hexenprozesse, wie aus den Akten über verschiedene Hochgerichtsstreitigkeiten geschlossen werden kann. Hexenprozeßakten aus dem Amt Grimburg selbst sind nicht überliefert. Nach einem Bericht des damaligen Amtmannes fehlen diese schon um 1700 in den Gewölben der Amtsrepositur.

Von den 172 Hexenprozessen korrespondieren 137, das sind 80%, mit den sogenannten Trierer Wellen: überliefert sind 101 Prozesse für den Zeitraum der ersten Welle von 1580-1600 und 36 für den Zeitraum der zweiten Welle 1625-1630. Höhepunkte der Verfolgung sind die Jahre 1588 mit 14 Prozessen, 1595 mit 17, 1599 mit 12 und 1628 und 1630 mit jeweils 14 Prozeßverfahren.

Das Verhältnis der angeklagten Frauen zu den angeklagten Männern stimmt mit den allgemein zu beobachtenden Trierer Verhältnissen überein, zumindest für den Zeitraum der Trierer Wellen: zwei Drittel Frauen und ein Drittel Männer.


5. Die Prozesse

Im Jahre 1588 wird ein Hexenprozeß auf der kurfürstlichen Landesburg Grimburg gegen den aus Beuren stammenden Müller Marx Hans geführt, aus dem er mit Hilfe des der Hexenverfolgung restriktiv eingestellten Propstes von St. Paulin, Hugo Kratz von Scharffenstein, einigermaßen heil wieder herauskommt. Aus den Prozeßakten erfahren wir, daß 20 Menschen den Beurener Müller besagt und auf ihn christlich gestorben sind.

In den Jahren 1592-1596 werden mehrere Prozesse in den Hochgerichten der zur Propstei St. Simeon gehörenden Hochwald-Ortschaften Rappweiler und Konfeld, der sogenannten Grafenhut, geführt. Propst und damit Inhaber der Hochgerichtsrechte ist der Trierer Weihbischof Peter Binsfeld, dessen 1589 erschienenes unheilvolles Traktat gegen die Hexen mehrfach gedruckt wurde und in der zeitgenössischen Publizistik einen starken Widerhall fand, so in den Fugger-Zeitungen, der Limburger Chronik oder in der Erweytterte(n) Unholden Zeyttung.

Die von Binsfeld verbreiteten Nachrichten von nahezu ausgerotteten Ortschaften entbehren nicht der Realität, wie das Beispiel des nordsaarländischen Dorfes Weierweiler belegt, wo innerhalb fünf Jahren 19 Frauen und Männer, mehr als die Hälfte der erwachsenen Dorfbewohner, hingerichtet werden. Alleine im Jahr 1599 brennen die Hütten zehnmal, am 8. November dieses Jahres werden vier Menschen gemeinsam hingerichtet. Ähnlich viele Opfer wie Weierweiler hat die Doppelgemeinde Mandern-Niederkell zu beklagen. Dort sind 17 Frauen und Männer verurteilt und hingerichtet worden, im benachbarten Schillingen 16 Personen.

Eine absolute Ausnahme unter den 172 im Untersuchungsgebiet festgestellten Hexenprozessen ist das Verfahren gegen den fleckensteinischen Scheffen Wolf Schneider zu Löstern im Jahre 1595. Schneider wird von dem kriechingischen Meier von Wadern der Zauberei verdächtigt. Der Meier ist im trunkenen Zustand gewesen, wie sich später herausstellt. Aber das Hexentreiben hat seinen Lauf genommen. Der verordnete Ausschuß bringt zunächst fünf Denunzia-tionen bereits hingerichteter Personen bei. Schneider flüchtet zu seinem Fleckensteiner Herrn und beklagt sich: die Besagungen seien durch gezieltes Befragen der Opfer zustande gekommen. Mehrere Eingaben des verdächtigten Wolf Schneider an das Reichskammergericht zu Speyer haben Erfolg. Die Prozeßakten erhellen den Vorgang soweit, als der Ausschuß weitere sechs Besagungen aus vier verschiedenen Hochgerichten vorlegen kann, geben aber leider keinen Aufschluß über den weiteren Verlauf. Schneider übrigens kommt glimpflich davon, er muß Urfehde schwören und lebt noch bis zum Jahre 1603.

Dieser Fall zeigt, daß bei genauer Kenntnis des Prozeßverfahrens, die Schneider als Gerichtsscheffe wohl hatte, bei entsprechender Protektion seines Herrn, bei ausreichenden Geldmitteln und bei persönlicher Zivilcourage ein angeklagtes Hexenopfer sich im Einzelfall durchaus zur Wehr setzen konnte. Leider blieb der Fall Schneider, wie gesagt, eine Ausnahme.


6. Stimmen der Vernunft

Wir versuchen heute die Hintergründe dieses Hexentreibens zu erforschen und vor allem, wie es zu diesem Ausmaß der Vernichtung kommen konnte. Was spielte sich in den Dörfern des Hochwaldes ab, wie gingen die Menschen miteinander um und wie reagierten sie auf das für uns Heutigen so ungeheuerliche Geschehen.

Warum stellte sich niemand dem Hexenwahn entgegen? Erkannte niemand den teuflischen Automatismus des Hexenprozeßverfahrens? Wie verhielt sich in dieser Frage der gelehrte, wie der sogenannte einfache Mann? Wie die Kirche, wie der Staat?

Zwei Beispiele mögen zunächst einmal die These der Hexenjagd von unten untermauern und belegen, daß die Dorfgemeinschaft selbst Druck auf die Herrschaft zur Verfolgung der Hexen auszuüben versuchte.

An Heiligabend des Jahres 1592 stellen die Untertanen des Hochgerichts Schwarzenberg einen Antrag um Ausrottung des hochsträflichen Lasters der Zauberei, dadurch die Ehre Gottes gesucht werden möge und das verdammliche zauberische Laster seine wohlverdiente Strafe erlange.

Und 1599 schreibt der verordnete Ausschuß des Hochgerichts Dagstuhl an den Hochgerichtsherrn, daß zu Ausrottung des greulichen und verfluchten Lasters der Zauberei, welches, Gott erbarms, nunmehr überhandt genommen und im Stift Trier, auch dieser Orten herumb ein große merkliche Anzahl desselben Lasters halber exequiert sein, von dem ganzen loblichen Hochgericht Dagstuhl und Wadern deputiert und verordnet, an ort und enden, da Executiones geschehen, bei derselben hohen Obrigkeit Denunciationes und Aussagen uff ermeltes Hochgerichts Dagstuhl Untertanen zu requirieren und umb Gebühr zu erheben...

Dem stehen Beispiele gegenüber, die zeigen, daß die einfache Frau, der einfache Mann, selbst Opfer der Hexenjustiz, wie auch Gelehrte und Geistliche, teils anonym und aus sicherer Distanz, teils offen und öffentlich und das Risiko nicht scheuend, selbst der Hexerei bezichtigt zu werden, Zeugnis davon geben, daß man die eigentliche Ursache des Teufelskreises von Falschaussage, Selbstbeschuldigung und Denunziation angeblicher Komplizen sehr wohl erkannte: die Folter.

In einem Prozeß im Jahre 1595 rät der angeklagte Sehr Theiß dem ebenfalls der Hexerei beschuldigten Meier Engelmann an, er soll um sein Seel bedenken, wie er auch die sein bedacht habe, und die Wahrheit an den Tag tun und sich nit zerbrechen lassen.

Und Meier Engelmann antwortet: Das solle kein Mensch under der Sonnen mit der Wahrheit über ihn bringen und so er Schuld seie und zaubern könne, so können es alle Menschen in der Welt, und wo man allen Menschen also Unrecht tue wie ihm, so seie es ein grausam Ding. Er bittet die Umstehenden, sie sollen Gott bitten, das man ihm nit Gewalt tue, daß er nit sage wider die grundliche Wahrheit und wider sein Gewissen

Müller Hans aus Beuren beschwert sich in seinem 1588 auf der Grimburg geführten Prozeß, er habe solche Bekenntnisse aus höchster Not der Tortur von sich gegeben und damit er einmal des Folterns Ruhe haben werde.

Anthes Engel sagt in ihrem Prozeß 1630 aus, man solle sie nur verbrennen, sie könne nicht zaubern, viel weniger könne sie sagen, was sie nicht getan habe, ihr geschehe gewalt und kein recht, sie wolle 10 reichstaler darum geben, wenn sie zaubern könne, damit sie aus diesem kreuz herauskomme.

Herrichs Traud, die Krämersfrau aus Niederkell, ruft ihren Peinigern zu: wenn sie zaubern könt, wer sie doch nit allein. Traud stand Zeit ihres Lebens im Verdacht der Hexerei. In der ersten Prozeßwelle war sie bereits angeklagt und nur wegen einer Schwangerschaft frei gelassen worden. Nun, im Verlauf der zweiten Welle, wird sie 1626 bei lebendigem Leib verbrannt. Die sonst übliche Gnade des Strangulierens war ihr verwehrt worden.

Schon früh, im Jahre 1584, hat der gelehrte Rechtswissenschaftler Johann Gödelmann den Zusammenhang von peinlicher Befragung und durch die maßlose Folter erzwungene Geständnisse erkannt: Denn es ist ein gefährlich und zweifelhaftes Ding um die peinliche Frag.

Und Friedrich Spee ermahnt die Verantwortlichen in seiner im Jahre 1631 anonym erschienenen Cautio Criminalis: Es ist unvorstellbar, wieviel Lügen die Angeschuldigten unter dem Zwange der Folter über sich und andere aussprechen. Am Ende muß alles wahr sein, was der Peiniger wahr haben möchte. Die Gefolterten sagen zu allem ja, und weil sie dann nicht zu widerrufen wagen, müssen sie alles mit dem Tode besiegeln.


7. Das Ende der Hexenprozesse

Mit dem Jahr 1630 enden die Hexenprozesse im Hochwaldraum. Vielleicht steht dieses plötzliche Ende der Hinrichtungen in den zum Familienbesitz des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern zählenden Hochgerichten Dagstuhl und Schwarzenberg, in den Ortschaften des kurfürstlichen Hochwaldamtes Grimburg und in den Dörfern der domkapitularischen Herrschaft Schillingen, in irgendeinem mit der Nachricht des Trierer Dompropstes Hausmann von Namedy an den kaiserlichen Beichtvater Lamormain Ende des Jahres 1629, wonach Philipp Christoph von Sötern eine eigenartige Einnahmequelle entdeckt habe: er lasse die zahlreichen Hexen neuerdings nicht mehr verbrennen, sondern er würde sie mit einer Geldbuße belegen. Möglicherweise aber ist der Grund für das plötzliche Abflachen der Prozesse auch in dem kurfürstlichen Erlaß vom 2. Februar 1630 zu suchen, mit dem Philipp Christoph von Sötern die in die Höhe getriebenen Kosten auf ein erträgliches und billiges Maß setzt und anordnet, daß der dörfliche Hexenausschuß der peinlichen Befragung künftig nicht mehr beiwohnen dürfe.

Seit spätestens 1659, sieben Jahre nach dem Regierungsantritt des Sötern-Nachfolgers Karl Kaspar von der Leyen, werden die Hexenverfolgungen im Erzstift und Kurfürstentum Trier offiziell eingestellt. In einem rückblickenden Schreiben geht Karl Kaspar von der Leyen auf die vermeintlichen Hexen ein, ...bey dessen vielfaltig versuchter ausrottung und dießer halb vor und zeit anfangs unserer angetrettener chur- und landesfürstlicher regierung verschiedentlich geführten proces-sen all solche exorbitantien, falsitäten, kostspieltig und ungerechtigten in der that befunden, daß wir höchst gemüßiget worden, dergleichen processus und inqisitiones in unßerem ertzstift generaliter verbieten und untersagen zu laßen...


Literatur

Gunther Franz und Franz Irsigler (Herausgeber), Hexenglaube und Hexenprozesse im Raum Rhein-Mosel-Saar (Band 1 Trierer Hexenprozesse-Quellen und Darstellungen), Trier 1995.

Klaus Gerteis, Die kurfürstliche Zeit, in: Heimatbuch der Gemeinde Beuren im Hochwald, Beuren-/Prosterath 1988, Seite 57-64.

Kurt Hoppstädter, Die Hexenverfolgungen im saarländischen Raum, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend Band 9/1959.

Dittmar Lauer, Die Bannforsturkunde des lotharingischen Königs Zwentibold. Ein wichtiges Dokument für die Geschichte des Hochwaldes, in: Hochwälder Geschichtsblätter Heft 8/1997, Seite 13-26.
Dittmar Lauer, Hexenverfolgung im Hochwald (Doppelheft 23/24 der Hochwälder Hefte zur Heimatgeschichte), Otzenhausen 1988.

Walter Rummel, Bauern, Herren und Hexen. Studien zur Sozialgeschichte sponheimischer und kurtrierischer Hexenprozesse 1574-1664 (Band 94 der Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft), Göttingen 1991.



Quellen

Fürstlich Oettingen-Wallersteinsches Archiv Schloß Harburg I.9.8; I.9.12-2; I.10.5; I.10.17.

Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien Trevirensa 1a/1.

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Best. 369 Nr. 456.

Landeshauptarchiv Koblenz Abt. 1C Nr. 3910; Abt. 1D Nr. 4403; Abt. 56 Nr. 843 und 2201, Abt. 211 Nr. 2272 und 4923.

Landesarchiv Saarbrücken Abt. 38. Nr. 349, 465, 558, 653, 654, 655 und 793.

Stadtarchiv Trier Hs. 1533/170.


__________________________________________________________________________