Kaiser Maximilian I.

Kaiser Maximilian I. auf dem Hochwald

 
Dittmar Lauer

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Maximilian von Habsburg (1459-1519) ist schon als vierzehnjähriger junger Mann in Trier gewesen, als sich dort im Jahre 1473 sein Vater Kaiser Friedrich III. (1415-1493) und der reiche burgundische Herzog Karl der Kühne (1433-1477) trafen, um die Vermählung ihrer Kinder Maximilian und Maria zu arrangieren. Im Jahre 1512 hielt Maximilian – seit 1508 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation – einen Reichstag in Trier ab und fünf Jahre später suchte er die Moselstadt zum dritten Male auf, zwei Jahre vor seinem Tode.

Der Reichstag in Trier zog sich über zwei Monate hin. Kaiser Maximilian war am 11. März 1512 mit großem Gefolge von Fürsten, Grafen und hoher Geistlichkeit und einem Tross mit 400 Pferden in Trier eingezogen und hielt sich bis zum 11. Mai 1512 in der Domstadt auf, ehe er den Reichstag nach Köln verlegte. In Trier soll er sich bedroht gefühlt haben – wegen angeblicher Krankheitsmeldungen.

Nach wochenlangen Vorberatungen und Separatverhandlungen mit den Fürsten und Grafen, mit den Kurfürsten und den Botschaftern der Könige von Frankreich, Spanien und des Papstes eröffnete Maximilian den Reichstag an Karfreitag, den 16. April 1512 in dem collegio in sand Diederichs gassen. Die Räumlichkeiten waren zuvor in guten Stand gebracht worden. In der Baumeistereirechnung der Stadt Trier finden sich zahlreiche Ausgabebelege, u.a. dass man huß und sall zwey mal schoen gemacht, gekert und gesleift, och geholffen wyßen und allerley disch und benck uff gedragen habe.

Über den Verlauf des Trierer Reichstages hat uns Peter Maier von Regensburg (1460-1542), der über 60 Jahre vier Trierer Kurfürsten als Geheimschreiber, Notar und Sekretär diente, in anschaulicher Form unterrichtet. In seinem schriftlichen Nachlass beschränkt er sich nicht nur auf die Darstellung der offiziellen und protokollarischen Abläufe, sondern zeichnet als Augenzeuge ein fesselndes Bild des kulturellen Milieus jener Zeit.

Zur Kultur jener Zeit gehörte ohne Zweifel die Falknerei, der man einen ähnlichen Stellenwert wie dem Bau mächtiger Burgen und prächtiger Paläste, der Einrichtung bedeutender Bibliotheken und der Kunst- und Musikförderung zumaß. Geadelt durch den Stauferkaiser Friedrich II. (1194-1250), den wohl berühmtesten Falkenjäger aller Zeiten, der die Kunst mit Vögeln zu jagen beschrieb, hat dessen Buch De arte venandi cum avibus bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Auch Kaiser Maximilian war ein leidenschaftlicher Falkner und frönte mit Vorliebe der Beizjagd. Maximilian soll – ebenso wie der französische König Franz I. –zu seiner Zeit die größte Falknerei mit bis zu 300 Greifvögeln besessen haben. Er beschäftige 15 Falkenmeister und über 60 Falkenknechte.

So wundert es nicht, wenn Kaiser Maximilian auch während des Trierer Reichstages jede Gelegenheit zur Falkenjagd wahrnahm. Bereits zwei Tage nach seiner Ankunft in Trier ist der Kaiser mit dem Trierer Erzbischof und Kurfürsten Richard von Greiffenclau (1425-1531), begleitet von den Grafen von Zollern und von Manstein, auf das linke Moselufer uffs Beitzen geritten mit den Falken. Für den 26. April 1512 ist überliefert, dass der Kaiser mit viel Fürsten zu St. Simeons-Porten ußgeritten lengs den Graben zu den Cartusern, da Vesper gehört, darna in das Feld beitzen geritten und um 7 Uhren wider kommen.

Während seines Trierer Aufenthaltes hat Kaiser Maximilina zweimal jeweils eine Viertagesreise quer durch den Hochwald unternommen. Der erste Umritt – Dienstag, 30. März bis Freitag, 4. April 1512 – führte ihn mit seinem Gefolge auf die Grimburg, nach St. Wendel und nach Schillingen und bei dem zweiten Exkurs – Montag, 19. April bis Donnerstag, 22. April 1512 – suchte er die Burg Dagstuhl, Beckingen, Hausbach und Zerf auf. Insgesamt legte der Kaiser mit seinem Gefolge rund 250 km zurück.

Der kurtrierische Sekretär Peter Maier hat diese kaiserlichen Ausflüge in knappen Worten überliefert: dinstags ist keiserlich maiestat uß Trier geritten, beissen [beizen], die nacht zu Grimburg, mittwochs zu sand Wendel, donrstags zu Schelingen gelegen und den freitag widderumb ghen Trier komen und: der keiser uff das griegts [Gericht] ghen Dagstul, dinstags ghen Beckingen, den mittwoch zu Huyspach gelegen, donrstags zu mittage zu Zerve getzeert und umb VI uren widder ghen Trier kommen.

In der heimatkundlichen Literatur wird das kaiserliche Reisunternehmen meist als Jagdausflug dargestellt, bei dem alle Anstrengungen unternommen wurden, um dem hohen Gast und seiner Jagdgesellschaft eine zufriedenstellende Treibjagd bieten zu können und wo der Kaiser standesgemäß mit Falken jagen konnte. Dabei wird auch angenommen, dass Kaiser Maximilian vom Kurfürsten und einem glänzenden Gefolge begleitet wurde. Der genaue Wortlaut der Maier’schen Darstellung gibt diese Interpretation allerdings nicht her. Denn bei beiden Ausflügen ist Richard von Greiffenclau in Trier geblieben, hat zu Rat gesessen, Verhandlungen geführt und Gäste bewirtet. So empfing der Erzbischof und Kurfürst am Donnerstag, als der Kaiser mit seinem Gefolge in St. Wendel übernachtet hatte und von dort nach Schillingen weiter ritt, die Herzöge von Bayern, Württemberg, Braunschweig und Brandenburg und andere Grafen und hohe Herren zum Morgenessen und ließ in reichhaltiger Menüfolge auftragen: Mandelsuppe und Mandelei, Pasteten mit Aal, Stör mit Pfeffer und Karpfen, gebackene Grundeln und Hecht, gebratene Fische, Krebse, Hausen in Essig, ein grünes und ein Krebsmus, Galantine, Pfannengebäck und gebackene Birnen.

Nach der Überlieferung ist Kaiser Maximilian am 30. März 1512 zur Beizjagd aufgebrochen, hat auf der kurtrierischen Landesburg Grimburg übernachtet und ist anderen Morgen nach St. Wendel weiter geritten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Kaiser und sein Gefolge die Strapazen von zwei mühsamen Reisen auf unsicheren Wegen auf sich genommen haben, nur um mit den Falken zu jagen. Das hätte sich auf den Feldern um Trier herum viel angenehmer gestalten lassen. Es müssen den Kaiser wichtigere Gründe zu den beiden Ausflügen veranlasst haben.

Wenn man den Reiseweg der kaiserlichen Routen näher betrachtet, so deutet alles darauf hin, dass Maximilian konkret zwei Zielpunkte vor Augen hatte: St. Wendel, wo man seit Jahrhunderten an das Grab des hl. Wendelinus pilgerte, und den Sitz der Deutschherrenkomturei in Beckingen. Es waren eher kirchen- und staatspolitische Gründe als die hohe Kunst der Beizjagd, die den Kaiser zum Besuch der beiden Orte veranlasst haben. Auf dem Weg dorthin sind die landesherrliche Amtsburg Grimburg, die Burg der domkapitularischen Herrschaft in Schillingen, die Ganerbenburg Dagstuhl bei Wadern, das Schloss der Herren von Schwarzenberg in Hausbach und die Propstei des Stiftes St. Paulin in Zerf als Etappenziele anzusehen, wo der Kaiser und sein Gefolge standesgemäß verpflegt werden und übernachten konnte.

Burg und Dorf St. Wendel entwickelten sich nach dem Erwerb durch Erzbischof und Kurfürst Balduin von Luxemburg (1285-1345) zu einer ansehnlichen mittelalterlichen Stadt, die weit über die Landesgrenzen hinaus als Pilgerstätte zum Grab des hl. Wendelinus große Berühmtheit erlangt hatte. Im Jahre 1506 ließ der Trierer Erzbischof und Kurfürst Erzbischof Jakob II. von Baden (1471-1511) den alten Holzschrein mit den Gebeinen des Heiligen öffnen und sie in einen neuen Eichensarg umbetten. Er ordnete eine neue Ausstellung hinter dem Hochaltar des Wendelsdom an, die den zahlreichen Pilgern eine bessere Sicht auf das Grab ermöglichte. Diese St. Wendeler Translatio des hochverehrten Heiligen dürfte dem Kaiser bei seinem Trierer Aufenthalt nicht verborgen geblieben sein. Bei seinem frommen Interesse für Reliquien darf man annehmen, dass in ihm der Wunsch reifte, das Grab des hl. Wendelinus aufzusuchen. Vierzehn Tage später – am 14. April 1512 – suchte und fand man auf Veranlassung des Kaisers den Heiligen Rock unter dem Hochaltar der Hohen Domkirche. Albrecht Dürer hat das Öffnen des Altars und das Zeigen des Heiligen Rocks auf zwei Holzschnitten festgehalten.

Beim zweiten Ausritt Kaiser Maximilians nach Beckingen machten er und sein Gefolge einen Umweg über Dagstuhl. Das dürfte wohl dem Domdekan Philipp von Kriechingen und dem Domscholaster Philipp von Rollingen geschuldet sein, Mitbesitzer der Ganerbenburg Dagstuhl. Am 13. März hatte der Kaiser sein Lager in der Kurie des Domdekans aufgeschlagen, vielleicht hatte man da einen Abstecher nach Dagstuhl vereinbart. Wie dem auch sei, das eigentliche Ziel war die Komturei des Deutschen Ritterordens in Beckingen. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts war das an der Grenze zu Lothringen gelegene Beckingen Sitz einer Deutschherrenkommende. Der Hochmeister des Deutschen Ordens Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490-1568) befand sich im kaiserlichen Gefolge. Das aus dem Jahre 1344 stammende Komtureigebäude wurde im 18.Jahrhundert durch den Neubau einer Schlossanlage ersetzt, die nach Aufhebung der Ordensniederlassung im Zuge der französischen Revolution im Jahre 1803 abgebrochen wurde.

Auf dem Rückweg nach Trier legte Kaiser Maximilian eine Zwischenstation in Hausbach bei Losheim ein, wo man im Schloss der Herren von Schwarzenberg übernachtete. Das Schloss war ein Lehen der Trierer Erzbischöfe und geht bis in das 12. Jahrhundert zurück. Nach dem Aussterben der Herren von Schwarzenberg werden die Herren von Warsberg neue Besitzer. Später – im Jahre 1867 – kommt das Schloss in den Besitz der Herrn von Boch und wird um 1900 abgerissen.

Donnerstag, den 22. April 1512 brach der kaiserliche Reitertrupp von Hausbach auf in Richtung Trier und machte in Zerf eine letzte Rast. Dort nahm man in der Residenz des St. Pauliner Propstes ein Mittagsmahl ein. Der Ort Zerf gehörte ebenso wie Greimerath, Beuren und das halbe Dorf Heddert seit alters her zum Hochwaldbesitz des Kollegiatsstiftes St. Paulin. Um 18 Uhr trafen Kaiser Maximilian und seine Begleiter wieder in Trier ein. Am folgenden Tag standen wieder Verhandlungen mit allen anwesenden Kurfürsten, Fürsten und Reichsständen im Rathaus statt.

Einen Tag später ließ der Kaiser ein eigenartiges Spektakel in Szene setzen. In dem mittleren der drei Fischweiher der alten Kartause in Trier – in der heutigen Kleingartenanlage zwischen Amphitheater und Spitzmühle gelegen – ließ der Kaiser einen Seehund von Hunden hetzen. Da jener aber die Hunde unter Wasser zog und zu ertränken drohte, sah man sich genötigt, den Weiher auslaufen zu lassen, um den Seehund wenig waidgerecht erlegen zu können – eine weniger edle Spielart des Jagens.

Ein deutscher Kaiser hat seitdem den Hochwald nicht mehr besucht, doch vor zehn Jahren nahm ein direkter Nachfahre Kaiser Maximilians – in seiner Eigenschaft als Präsident des Internationalen St. Hubertus Ordens – an einer großen Treibjagd in den Hochwaldwäldern teil: Seine Königliche und Kaiserliche Hoheit Andreas Salvador von Habsburg-Lothringen. Bei einem Empfang im Burgsaal erfuhr er erstmals von dem Aufenthalt seines berühmten Vorfahren auf der ehemaligen kurtrierischen Landesburg Grimburg vor 500 Jahren.

 
 

Quellen- und Literaturangaben

Stadtarchiv Trier Hs. Ta 4/6 Baumeisterrechnung 1510-1512.

Landeshauptarchiv Koblenz Best.1C Nr. 19863.

Landesarchiv Saarbrücken

Hermann Erschens, Schillinge: Was der Name „hinter der Burg“ erzählt, in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 1966, Seite 116 f.

Gottfried Kentenich, Geschichte der Stadt Trier von ihrer Gründung bis zu Gegenwart. Denkschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Zugehörigkeit der Stadt zum preußischen Staat, Trier 1915.

Dittmar Lauer, Aus der Geschichte der Reichsherrschaft Dagstuhl, in: Dagstuhler Geschichtsbilder, Seite 9-227, Wadern 1990.

Dittmar Lauer, Die Burg Schwarzenberg bei Lockweiler. Aus der Geschichte der Burg Schwarzenberg aus Anlass der Stadtrechtsverleihung vor 650 Jahren, in: Hochwälder Geschichtsblätter 7/1996, Seite 5-28.

Dittmar Lauer, Hoher Besuch anno 1512. Als Kaiser Maximilian I. auf der Grimburg weilte, in: Festschrift Burg Grimburg 2003.

Werner Martin, Der Besuch Kaiser Maximilian 1512 in St. Wendel. Historischer Kontext und Auswirkungen, in: Gersten 2/1998, Seite 41-45.

Max Müller, Geschichte der Stadt St. Wendel, St. Wendel 1927.

Matthias Minninger, Die alte Kartause vor und nach der Zerstörung 1673/74, in: Neues Trierisches Jahrbuch 1995, Seite 73-86.

Paul Richter, Der kurtrierische Sekretär Peter Maier von Regensburg (1481-1542). Sein Leben und seine Schriften, in: Trierisches Archiv 8/1905, Seite 53-82.

Edmund Schömer, Burg und Amt Grimburg. Der Hochwald von der Urnenfelderkultur bis zur französischen Herrschaft 600 v.Chr. – 1800 n. Chr., Hermeskeil 1984.

Alois Selzer, St. Wendelin. Leben und Verehrung eins alemannisch-fränkischen Volksheiligen, Mödling Wien 1969.

Werner Rösener, Adel und Jagd. Die Bedeutung der Jagd im Kontext der adeligen Mentalität, in: La Chasse au Moyen-Age. Société, traités, symboles, o.O. 2000.

 

 

 

 


 

 

 


Geändert 12.11.2013
Erchienen in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg